Die Behandlung zahlungskräftiger Patienten aus dem arabischen Raum hilft dem Klinikum Stuttgart beim Kampf gegen das Loch in der Kasse Foto: dpa-Zentralbild

Die Betreuung von Patienten aus dem arabischen Raum und Hilfestellungen von Stuttgarter Ärzten im Ausland gelten seit Jahren als lukratives Geschäftsmodell. Jetzt zeigt sich, dass nicht alle erhofften Millionengelder beim defizitären Klinikum Stuttgart in die Kasse kommen.

Stuttgart - Das Klinikum der Landeshauptstadt muss bei der Behandlung von Patienten aus Libyen erhebliche Wertberichtigungen in seiner Bilanz vornehmen. Die Rechnungsprüfer der Stadt nennen Gesamtaufwendungen in Höhe von 28,4 Millionen Euro, denen eine Zahlung von nur 19 Millionen Euro gegenübersteht.

Andreas Großmann, der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes, will keine Wertung zum Geschäftsmodell abgeben. Weitere Prüfungen liefen, sagt Stadtsprecher Andreas Scharf, eine „zuverlässige Bewertung der komplexen Sachverhalte kann derzeit nicht erfolgen“, sagt er.

Doch so komplex scheint der Sachverhalt gar nicht zu sein. 2013 hatte die sogenannte International Unit am Klinikum, die seit vielen Jahren zahlungskräftige Patienten vor allem aus dem Nahen Osten einwirbt, einen „Kooperationsvertrag mit der libyschen Übergangsregierung abgeschlossen“, heißt es im Bericht. Nach Ansicht der Prüfer war es ein Vermittlungsvertrag. Außerdem habe es einen weiteren Vermittlungsvertrag mit einem Dienstleister gegeben. Den allerdings nur mündlich, weshalb er gar nicht überprüft werden könne.

Die Rechnungsprüfer kritisieren, dass Zahlungen nicht mehr nachvollziehbar sind

„Wir würden in Deutschland mit einem deutschen Partner einen solchen Vertrag nicht machen. Die Frage ist nun, ob das Klinikum in Zukunft noch solche Geschäfte im Ausland macht“, sagt der zuständige Bürgermeister Werner Wölfe (Grüne). Die Antwort hat er für sich schon gefunden: „Auf dieser Grundlage, also ohne vertragliche Verbindlichkeit, geht das nicht mehr.“

Für die Patienten aus Libyen rechnete das Klinikum 15 Millionen Euro Behandlungskosten mit dem, wie bei Privatpatienten üblichen, zweieinhalbfachen Satz ab. Allerdings wurden auch monatlich 100 000 bis 350 000 Euro pauschal an Essens- und Taschengeld an den Dienstleister bezahlt, insgesamt 4,2 Millionen Euro. Ob die Zahlungen ordnungsgemäß geleistet wurden, könne keiner sagen, rügen die Prüfer. Einreise und Aufenthaltskosten, also Flug und Hotel, werden mit 8,3 Millionen Euro angegeben.

Die Regiekosten seien „wie üblich, aufgrund eingehender Rechnungen von Dienstleistern, gesondert abgerechnet worden“, sagt Klinikums-Sprecherin Ulrike Fischer. Man bemühe sich, die Differenz erstattet zu bekommen. Sie sei niedriger als angegeben. Komme das Geld, rechne sich das inzwischen beendete Libyen-Projekt. Man habe das Geld nicht abgeschrieben, sondern die Summe wertberichtigt.

Die International Unit entlastet das Klinikum finanziell

Insgesamt leiste die Internationale Einheit am Klinikum gute Arbeit und erwirtschafte einen erheblichen Deckungsbeitrag, zum Beispiel mit Patienten aus den Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien, Kuwait, Russland, aber auch den USA, lobt Wölfe. Die Rede ist von einem einstelligen Millionenbetrag, der die defizitären Krankenhäuser entlastet. Auch Libyen ziehe die Auslandabteilung nicht ins Minus. Das Controlling habe in diesem Fall aber „nicht gut funktioniert“, untertreibt Wölfle, „wir hatten noch Patienten, aber es gab kein Geld mehr. Darauf hätte deutlich früher reagiert werden müssen.“

Eine weitere Aufklärung sei noch notwendig, sagte Andreas Großmann, der Leiter des städtischen Rechnungsprüfungsamtes, am Donnerstag im Gemeinderat bei der Vorstellung des Prüfberichts, der das Geschäftsgebaren der Ämter und Eigenbetriebe beleuchtet. Eine abschließende Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit des Libyen-Geschäftes sei zurzeit noch nicht möglich. Bei den Projekten mit Libyen, aber auch mit Kuwait seien hohe finanzielle Risiken eingegangen worden, „die sich zum Teil realisiert haben“.

Das Kuwait-Projekt des Klinikums wird von den Prüfern also auch sehr kritisch gesehen. Hier werden nicht Patienten ein-, sondern Ärzte zum Razi-Krankenhaus für Orthopädie ausgeflogen, die dort behandeln. „OP- und Prozessmanager sollen die Leistungsfähigkeit und Qualität des Krankenhauses verbessern“, sagt Fischer.

Für diese Leistung waren 3,5 und 3,6 Millionen Euro in zwei Raten vereinbart worden. Nach Stuttgart fanden bisher laut Prüfern nur 3,3 und 2,1 Millionen Euro. Insgesamt hat der bis 2017 laufende Vertrag ein Budget von 46,2 Millionen, für Berater- und Vermittlungsverträge fallen allein 25,2 Millionen Euro an, beim Klinikum Stuttgart verbleiben letztlich 16,4 Millionen. Es sei sichergestellt, dass das Projekt auch bei Zahlungsverzögerungen kostendeckend bleibe, sagt Fischer.

Das Kuwait-Projekt steht auf dem Prüfstand

Die Prüfer monieren „schwer kalkulierbare finanzielle und rechtliche Risiken, die in der üblichen Geschäftstätigkeit des Klinikums in der Art nicht bestehen“. Der Vertrag sehe Kuwait als Gerichtsstand vor, sei in arabischer Sprache abgefasst, und Abzüge müssten wohl eingeklagt werden.

Für die eigenen Ärzte sei die Kuwait-Erfahrung zwar eine Bereicherung, und man werde bei diesem Geschäft nicht drauflegen, sagt Wölfle. Andererseits stelle sich die Frage, „ob wir angesichts der Herausforderungen, die das Klinikum in Stuttgart hat, solche Einsätze noch machen sollen“.