Ein neuer Keil fährt unvermittelt durch das ansonsten sorgsam restaurierte Gebäude – Daniel Libeskind setzt auch in Dresden auf eine symbolische Bildsprache. Foto: dapd

In Dresden eröffnet das neu gestaltete Militärhistorische Museum der Bundeswehr.

Dresden - Militaria-Freunde und Waffennarren werden irritiert sein. Das neue Kriegsmuseum der Deutschen Bundeswehr ist ein Anti-Kriegs-Museum. Schon die Architektur verstört und hat von Anbeginn die Dresdner entzweit. Die Pläne hat Daniel Libeskind gezeichnet, nicht dafür bekannt, gefällige Wohlgestalt zu liefern.

Vorgefundene Strukturen sind dem US-amerikanischen Architekten Daniel Libeskind stets Anlass zur Gegenreaktion. Zu tun hatte er es mit einem schlossartigen Gebäude auf einer Anhöhe über der Albertstadt. Als Arsenal 1873 bis 77 nach Plänen der Sächsischen Militärbauverwaltung erbaut, war es schon 1897 als Waffendepot obsolet und beherbergte fortan die Königliche Arsenal-Sammlung, die 1914 in das Königlich Sächsische Armeemuseum einging. Von 1938 an betrieb es die Wehrmacht als Heeresmuseum, 1972 firmierte es als Armeemuseum der DDR. Seit 1994 erarbeitete man für das Leitmuseum im Museums- und Sammlungsverbund der Bundeswehr eine neue inhaltliche und architektonische Konzeption.

Als Libeskind sich den neoklassizistischen Repräsentationsbau vorknöpfte, war von ihm keine sanfte Renovierung des an sich intakten Gebäudes zu erwarten. Im Gegenteil: Wie wenn er das Modell mit einem Handkantenschlag in zwei Teile zerschlagen hätte, fährt heute ein Keil brutal und unvermittelt durch das ansonsten sorgsam restaurierte Gebäude.

Die Botschaft ist unmissverständlich und doch vieldeutig: Blitzkrieg, Zerstörung, Verstörung. Aber Libeskind wäre nicht Libeskind, hätte er nicht zusätzlichen Symbolismus zu bieten. Der Keil zeigt in Richtung auf das Stadion in der Weststadt und reflektiert die Form des fächerförmigen Bombenteppichs, der, von dort ausgehend, im Februar 1945 die Dresdner Innenstadt in Schutt und Asche legte. Der Blick auf das zerstörte und wieder aufgebaute Dresden von der Höhe des Keils aus ist denn auch die erste Station des Rundgangs und lässt schon erahnen, dass es in diesem Haus nicht um eine Verherrlichung des Militärwesens, um Heldenverehrung und um ein Hochamt der Kriegstechnik geht.

Dresden beleuchtet das Kriegshandwerk aus der Perspektive der Opfer

Der neue Bauteil gab Anlass, die von Gorch Pieken und seinem Team kuratierte Ausstellung grundsätzlich in zwei unterschiedliche Abteilungen zu gliedern. In den Etagen des Altbaus sind Kriegshandwerk und Kriegsgeschehen chronologisch auf verhältnismäßig konventionelle Weise präsentiert, während im Keil ein "Themenparcours" epochenübergreifende Fragen behandelt. Es gibt vertikale Themenräume, haushohe Betonschächte, wie man sie als "Voids" von Libeskinds Jüdischem Museum in Berlin kennt. In diesen - allzu beengten - Räumen steht zum Beispiel Hitlers "Wunderwaffe", die V2-Rakete, hängt ein veritabler Alouette-Hubschrauber kopfüber an der Wand, ist ein Geschosshagel aus verschiedensten Granaten, Bomben und Raketen inszeniert, der auf den Besucher zu stürzen droht. Zu den Themen gehört ein "Catwalk" mit Tieren, die für militärische Zwecke missbraucht worden sind, vom Kriegselefanten bis zum Minenhund, eine Abteilung Militär und Mode, ein Kabinett mit medizinischen Präparaten von (meistenteils tödlichen) Kriegsverletzungen oder eine Sammlung "Krieg und Spiele", die zum Beispiel ein Puppenhaus mit abgedunkelten Fenstern zeigt.

Die Verherrlichung des Militärs ist vielleicht auch anderenorts einer nüchternen, historiografischen Dokumentation von Militaria gewichen, doch Dresden geht einen Schritt weiter, beleuchtet das Kriegshandwerk aus der Perspektive der Opfer, erzählt eine Kulturgeschichte der Gewalt und der Zerstörung. Die Sicht der Dinge hat sich gewandelt, gerade in Deutschland, das gelernt hat, seine unrühmliche kriegerische Vergangenheit kritisch zu verarbeiten. Die dem Militär von alters her zu eigene Ideologie der Stärke ist der Gewaltvermeidung gewichen. Oberstes Ziel ist die Vermeidung von Opfern, fremder wie eigener, und dieser Paradigmenwechsel prägt auch die Präsentation. In welchem Militärmuseum bekommt man schon ein Fahrzeug der eigenen Streitkräfte zu sehen, das durch Feindeinwirkung zerstört wurde wie der in Afghanistan in eine Bombenfalle geratene, von Splittern zersiebte Munga der Bundeswehr? Die von Daniel Libeskind gestalteten Räume mit ihren schrägen Geometrien und vertikalen Schluchten haben die Ausstellungsgestalter HG Merz aus Stuttgart und Holzer Kobler aus Zürich zu eindrücklichen, bewegenden Installationen angeregt. In den Sälen des Altbaus mit ihren gusseisernen Säulen hingegen entfalteten sie für die chronologische Ausstellung einen 1,9 Kilometer langen Schauparcours mit schwebenden Vitrinen.

Doch auch in diesen Abteilungen beschränken sich die Ausstellungsmacher nicht auf die museale Präsenz der Exponate, sondern relativieren die glamouröse oder heroische Wirkung der Militaria immer durch die Darstellung der Kriegsfolgen. So ist Görings Feldmarschallmantel mit den Schrecken des Bombenkriegs konterkariert. An anderer Stelle hängen die Splitter einer explodierten Granate im Raum, als sei die Bewegung eingefroren wie im Film "Matrix". In der Fantasie des Betrachters fliegen die furchterregend scharfkantigen Teile weiter, vollenden ihr zerstörerisches Werk.

Viele bewegende, erschütternde, die Wahrheiten des Krieges entlarvende Geschichten weiß Gorch Pieken zu erzählen und glaubt, damit die Menschen in ihrem Innersten zu erreichen. Es wird ihm gelingen. Die Bundeswehr indes bezieht mit ihrem Museum entschieden Stellung und verdient damit gehörigen Respekt.

www.militaerhistorisches-museum.bundeswehr.de