Eine Frau steht in Odessa zwischen den Trümmern eines landwirtschaftlichen Lagergebäudes, das bei einem russischen Angriff zerstört wurde. Foto: dpa/Libkos

Nach dem Aus für das Getreideabkommen versucht die Ukraine, ihre Exporte verstärkt über das Gebiet seiner EU-Nachbarn abzuwickeln.

Nur zweihundert Meter von Rumäniens EU-Außengrenze entfernt krachten in der Nacht zum Montag russische Drohnen in die Getreidesilos der ukrainischen Donauhäfen Reni und Ismajil. Die Attacken im Donaudelta beeinträchtigen den ukrainischen Getreidetransport und „damit die globale Ernährungssicherheit“, verurteilte Rumäniens Staatschef Klaus Johannis den Angriff: Die jüngste Eskalation stelle „ein schweres Risiko für die Sicherheit auf dem Schwarzen Meer dar“.

Russische Drohnenattacken auf die Donau- und Schwarzmeerhäfen

Tatsächlich hat Russland mit den Drohnenattacken auf die Donau- und Schwarzmeerhäfen der Ukraine demonstriert, wie schwer Kiew nach dem Ende des Getreideabkommens die Erschließung von Ausweichexportrouten fallen dürfte. Zwar hofft die Ukraine, ihre Agrarexporte nun verstärkt über das Gebiet von EU-Nachbarn abzuwickeln. Doch ob zu Wasser oder zu Land: Die Möglichkeiten und Kapazitäten der Alternativrouten sind begrenzt.

Trotzig hat Kiew in einer ersten Reaktion die Schaffung eines neuen „Getreidekorridors“ von ukrainischen Häfen durch rumänische und bulgarische Hoheitsgewässer angekündigt. Doch das Vorhaben wirkt nicht nur wegen der jüngsten Drohnenattacken auf die ukrainischen Seehäfen wenig realistisch. Zum einen droht Moskau, jeden Frachter, der einen ukrainischen Hafen ansteuere, als „Gegner“ und „potenziellen Träger militärischer Fracht“ zu betrachten. Zum anderen zögern die Versicherer seit der Aufkündigung des Abkommens, Schiffe mit Getreide aus der Ukraine zu versichern. Kiew will zwar einen eigenen Versicherungsfonds für die Reedereien schaffen. Aber nur wenige Reedereien dürften das keineswegs kleine Risiko eingehen, außer der Fracht auch noch ihre Schiffe zu verlieren.

Nicht nur russische Drohnen, sondern auch logistische Hindernisse setzen der Ausfuhr über die EU-Nachbarn enge Grenzen. Eine bereits stark genutzte Alternative ist der Export über die ukrainischen Binnenhäfen im Donaudelta wie Reni: Über die Donau gelangt das ukrainische Getreide in den rumänischen Schwarzmeerhafen Constanta, wo es auf Hochseefrachter umgeladen wird. Mit den Drohnenattacken auf die ukrainischen Häfen am Nordufer der Donau scheint Moskau auf eine Unterbrechung dieser letzten offenen Exportroute über Wasser abzuzielen. Gleichzeitig sind die Kapazitäten für den vermehrten Umschlag von ukrainischem Getreide in den Silos von Constanta trotz des Bemühens um deren Erweiterung begrenzt: Im größten Schwarzmeerhafen wird nicht nur rumänisches Getreide, sondern auch der über die Donau exportierte Weizen aus Serbien, Ungarn, Bulgarien und der Slowakei umgeschlagen.

Das Schienennetz ist überlastet

Auch dem von der EU forcierten Export über Land sind wegen des schlechten Zustands des Schienennetzes im Osten des Kontinents enge Grenzen gesetzt. Nicht nur die Blockade der Seehäfen sorgt in den ukrainischen Güterbahnhöfen an den Grenzen zu den EU-Nachbarn Polen, Rumänien, der Slowakei und Ungarn für lange Waggon-Warteschlangen. Wie das russische hat auch das ukrainische Schienennetz eine andere Spurweite als das europäische. Waggons und deren Fracht müssen deshalb umgeladen werden, bevor sie weiterfahren können.