Aichtals Bürgermeister Sebastian Kurz hat den neuesten dieselbetriebenen Stromgenerator der Stadt getestet. Foto: /Philipp Braitinger

Angesichts der Energiekrise kommt dem Katastrophenschutz vielerorts eine wachsende Bedeutung zu. Manche Kommune wappnet sich nun gezielt für einen möglichen Stromausfall. In Aichtal hat man kürzlich gar einen 72-stündigen Blackout durchgespielt.

Es kann ganz schnell gehen: Eine Naturkatastrophe, ein Großbrand, ein Hackerangriff oder ein anderer erfolgreicher Sabotageakt können auch in Deutschland jederzeit zu einem längeren Stromausfall führen. Wie verwundbar die Infrastruktur ist, zeigten unlängst die Beschädigung der Nord-Stream-Pipeline in der Ostsee, die massiven Zugausfälle in Norddeutschland wegen durchtrennter Kabel oder der Hackerangriff auf die „Heilbronner Stimme“.

In vielen Kommunen gibt es mittlerweile Krisenstäbe, damit man gegebenenfalls vorbereitet ist – auch im Kreis Esslingen. Etwa in Deizisau, wo man sich im bereits bestehenden Krisenstab nun verstärkt mit dem Thema Stromausfall beschäftigt. In Aichtal befasst sich der Krisenstab „Energieversorgung“ ganz gezielt mit einem möglichen Ausfall der Strom- und Gasversorgung und spielt verschiedene Szenarien durch. In Esslingen wiederum gibt es schon länger einen fest etablierten Verwaltungsstab für Krisenfälle jeglicher Art. „Wir sind auf alle möglichen Szenarien vorbereitet und in dem Bereich gut aufgestellt“, sagt der städtische Sprecher Niclas Schlecht. In der Theorie habe man auch einen Stromausfall bereits durchgespielt, die praktische Großübung dazu sei schon vor der Energiekrise vorgesehen gewesen – jedoch wegen Corona ausgefallen. Sie solle aber bald nachgeholt werden.

In Aichtal hat man gemäß der Aufforderung des Landes jüngst einen bis zu 72 Stunden dauernden Stromausfall durchgespielt. „Ein lang anhaltender Stromausfall hätte erhebliche Auswirkungen auf das öffentliche und private Leben“, stellt die Stadtverwaltung klar. Wenn die Kühlschränke und Gefriertruhen nicht mehr funktionierten, werde die Lebensmittelversorgung rasch schwierig. Auch elektronische Zugangssysteme, Bankautomaten, Ampeln, Tankstellen und Supermärkte könnten ausfallen. Und die wenigen noch vorhandenen Sirenen für den Katastrophenschutz könnten nicht mehr warnen. Teile des öffentlichen Nahverkehrs wären vermutlich ebenfalls nicht mehr nutzbar, genauso die Notrufleitungen. Falls Smartphones noch funktionierten, dann nur, solange der Akku hält.

Bereits die Coronapandemie hat laut dem Aichtaler Bürgermeister Sebastian Kurz gezeigt, wie unerwartete Ereignisse den Alltag auf den Kopf stellen könnten. Die Stadtverwaltung hat deshalb überlegt, wie sie im Falle eines längeren, flächendeckenden Stromausfalls die Bewohner bei der Bewältigung der Situation unterstützen kann. Unter anderem wurden Notfalltreffpunkte eingerichtet, die im Krisenfall Anlaufstellen für die Allgemeinheit sowie örtliche Dreh- und Angelpunkte des Krisenmanagements sein sollen. Dabei geht es beispielsweise um die Vermittlung von Informationen. In jedem Stadtteil von Aichtal soll es mindestens einen Notfalltreffpunkt geben. Von dort aus sollen auch dann noch Notrufe möglich sein, wenn die privaten Telefone nicht mehr funktionieren. Ferner könnten die Treffpunkte als Sammelort im Falle einer Evakuierung dienen.

Eine wichtige Rolle spielen zunächst aber die Feuerwehrhäuser. Die Feuerwehren in Aich, Grötzingen und Neuenhaus dienen in der ersten Katastrophenstufe als Notfalltreffpunkte. Das Rathaus kann in einen Notbetrieb versetzt werden, dann werden nur die Server weiter betrieben. Der Verwaltungsstab zieht dann in das Feuerwehrhaus in Aich um. Für die Stromversorgung sollen im Katastrophenfall Notstromaggregate sorgen. Einstimmig befürwortete der Gemeinderat Anfang Oktober die Anschaffung entsprechender Geräte. Mit weiteren Aggregaten kann auch eine Trinkwasserversorgung gewährleistet werden. Allerdings haben die jüngsten Ereignisse die Nachfrage nach den Geräten in die Höhe schnellen lassen. Lieferzeiten von 20 Monaten und mehr seien keine Seltenheit, hat man im Rathaus festgestellt. Man habe aber entsprechende Geräte schon früher reserviert.

Zieht die Katastrophe weitere Kreise, soll die Festhalle in Aich als Notunterkunft und Wärmehalle eingerichtet werden. Die dortige Ölheizung kann auch bei einem Ausfall der Gaslieferungen beheizt werden, sollten Wohnungen und Häuser im Winter wegen Gasmangel oder Stromausfall nicht mehr beheizt werden können. Auch der Feuerwehrschulungsraum kann beheizt werden und als Aufwärmstelle dienen.

Weitere Kapazitäten zum Aufwärmen und für Notunterkünfte könnten in der Mehrzweckhalle geschaffen werden. Auch die Sporthalle in Grötzingen, die Schulturnhalle in Neuenhaus und das Hallenbad sind als Notfallunterkünfte und Wärmehallen geeignet. Die Halle in Grötzingen wird allerdings mit Gas beheizt. Die Stadt denkt deshalb darüber nach, wie die Halle auch im Falle eines Gasausfalls genutzt werden könnte.

So ist der Bevölkerungsschutz organisiert

Recht
Die Länder sind laut dem Grundgesetz für den Schutz der Bevölkerung in Friedenszeiten zuständig. Dafür gibt es den Katastrophenschutz. In Kriegszeiten ist der Bund im Rahmen des sogenannten Zivilschutzes zuständig. Bei den Hilfsmitteln gibt es aber keine klare Abgrenzung. Die vom Bund im Rahmen des Zivilschutzes bereitgestellten Ressourcen können von den Ländern im Katastrophenschutz genau wie eigene Mittel eingesetzt werden.

Hilfe
Die in den Ländern im Katastrophenschutz tätigen Organisationen stellen ihre Kräfte und Fähigkeiten auch im Verteidigungsfall zur Verfügung. Die bestehenden Ressourcen von Bund, Ländern und privaten Hilfsorganisationen sind also eng ineinander verwoben.

Ehrenamt
Ein wichtiger Teil des Katastrophenschutzes liegt in den Händen von Freiwilligen. Wichtige Organisationen wie die Freiwillige Feuerwehr, Rettungskräfte oder das Technische Hilfswerk sind auf ehrenamtliche Mitarbeiter angewiesen.