Noch fehlen beide Gleise für die S 60. Klicken Sie sich durch die Bilder von der Baustelle. Foto: Peter-Michael Petsch

Neue S-Bahn-Linie soll am 9. Dezember starten – Bahn schöpft Bauzeit bis Fahrplanwechsel aus.

Renningen - Beim Gruppenbild am neuen S-Bahn-Halt Renningen-Süd (Kreis Böblingen) schauen die Regionalräte nicht nur deshalb etwas verkniffen drein, weil ihnen der kalte Wind ins Gesicht bläst. Die Bauherren der künftigen S-Bahn-Linie S 60 hätten sich den Baustellenbesuch auch ein paar Jahre früher gewünscht.

Bernhard Maier, früher Bürgermeister von Renningen, dann Landrat von Böblingen und immer noch Regionalrat der Freien Wähler, drückt es so aus: „Mit der S 60 wird man alt.“ Eigentlich hätte die erste S-Bahn-Querverbindung der Region, die vor rund 25 Jahren noch als kleine Nebenstrecke ähnlich der Strohgäu- oder der Schönbuchbahn gedacht war, nämlich Ende 2006 fertig sein sollen. Und sie hätte 93 anstatt der jetzt anvisierten knapp 151 Millionen Euro kosten sollen. „Dass das so lange dauert und sich unendlich verteuert, war damals nicht abzusehen“, blickt der frühere Kreisrat zurück – und wieder nach vorn: „Wenn die Bahn mal fährt, fragt keiner mehr nach Geld, und für die Leute in den Anliegergemeinden ist das ein Quantensprung.“

Die neue Linie schließt mit Sindelfingen die viertgrößte Stadt in der Region ans S-Bahn-Netz an – und mit dem Daimler-Werk den größten Arbeitgeber. Ein zweiter großer Arbeitgeber, die Bosch AG, baut demnächst in Renningen-Malmsheim ein Forschungs- und Entwicklungszentrum.

„Wir sind zuversichtlich, diesen Termin zu schaffen“

Am 9. Dezember zum Fahrplanwechsel soll es so weit sein: Dann fährt die neue S 60 im 30-Minuten-Takt nicht nur von Böblingen (S 1) nach Maichingen, wie seit Mitte 2010, sondern weiter über die neuen Haltestellen Maichingen-Nord, Magstadt und Renningen-Süd nach Renningen. Dort wird sie an die S 6 in Richtung Stuttgart angekuppelt oder in umgekehrter Fahrtrichtung von dieser abgekuppelt. „Wir sind zuversichtlich, diesen Termin zu schaffen“, sagte der Projektleiter der DB Netz AG, Karsten Erhardt, jetzt auf der Baustelle. „Wir brauchen aber auch so lange“, fügt ein Sprecher am Rande der Runde hinzu.

Obwohl rund um Renningen-Süd noch keines der beiden Gleise im Gleisbett liegt und es noch nach richtig viel Arbeit aussieht, wollen die Projektverantwortlichen der Bahntochter nur werktags von 7 bis 20 Uhr schaffen, ohne Nachtarbeit. „Wir wollen die Anwohner so weit wie möglich vom Lärm verschonen“, sagt ein Mitarbeiter Erhardts. Für die S 60 wurde aus Gründen des Lärmschutzes auch das bestehende Gleis für Güterzüge aus Richtung Italien/Schweiz aus dem Bett genommen und mit einem neuen Unterbau versehen.

Alle Schwellen wiegen so viel wie der sichtbare Teil des Stuttgarter Fernsehturms

Wie aufwendig die Bauarbeiten sind, zeigt ein Vergleich: Würden alle ausgebauten und verwendeten Materialien des dritten Bauabschnitts Magstadt–Renningen auf einen Güterzug verladen, wäre dieser etwa 33 Kilometer lang. Ein anderer anschaulicher Vergleich: Alle eingebauten Schwellen wiegen genauso viel wie der sichtbare Teil des Stuttgarter Fernsehturms – 3000 Tonnen.

Alleine für die Brücken wird laut Erhardt so viel Beton und Stahl verwendet wie für etwa 1000 Fertiggaragen. Auch für die Signaltechnik am neuen zweiten Gleis sind umfangreiche Arbeiten notwendig. So würden 44 Kilometer Kabel in die fünf Kilometer langen Kabeltröge verlegt.

Überall in Renningen bewegen sich Baggerarme: Rund 250 Bauexperten, die mit etwa 100 Maschinen auf der ganzen Strecke im Westen der Stadt und weiter Richtung Magstadt unterwegs sind, haben es auch den Regionalpolitikern angetan. „Wir haben den Eindruck gewonnen, dass hier alles getan wird, um pünktlich fertig zu werden“, fasst Regionalpräsident Thomas Bopp, von Beruf Architekt und damit ein Fachmann, die Stimmung zusammen. Sein Gesichtsausdruck hellt sich auf, als er das sagt.