Die Zukunft der Innenstadt beschäftigt die Stadträte derzeit – auch im Rahmen des Doppelhaushaltes 22/23. Foto: Marius Venturini

Die fünf Fraktionen des Gemeinderats haben zum Doppelhaushalt 2022/2023 Stellung genommen.

Kornwestheim - Die Haushaltsberatungen folgen gewissen Gesetzmäßigkeiten. Nach der Einbringung des Haushaltsplans durch die Verwaltung ist es üblich, dass die Fraktionen ihre Gedanken in konzentrierten Redebeiträgen vorbringen. Das geschah am Donnerstag im Gemeinderat. Unüblich ist es, dass man sich während dieses kommunalpolitischen Akts mitten im zweiten Jahr einer Pandemie befindet. Weitere neben Corona angesprochene Themen waren Innenstadtentwicklung, Klimawandel, Verkehr und Angebote für Jugend und Senioren.

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Grüne/Linke

Für die Fraktion Grüne/Linke stellte Stadträtin Susann-Boll Simmler fest, dass sich seit der letzten von ihr gehaltenen Haushaltsrede die Reihenfolge der Beiträge geändert habe. Seit den Gemeinderatswahlen 2019 sind Grüne/Linke die stärkste Fraktion. „Aber auch unser aller Alltag hat sich in den vergangenen beiden Jahren insbesondere durch Corona verändert“, leitete Boll-Simmler über. Die Grünen, sagte sie, wollten viel – und gemeinsam mit der Verwaltung und weiteren Akteuren eine lebens-, liebens- und zukunftsfähige Stadt gestalten. In Sachen Wohnungsbau sprach sich Boll-Simmler für Projekte in Hand der Städtischen Wohnbau, bei der eine energieeffiziente Bauweise mitgedacht werde, aus. Die Stadt solle zudem aktiver auf dem Wohnungsmarkt sein. „Wir wollen Wohnen neu denken“. Eine entbürokratisierte Verwaltung gehört ebenso auf den Wunschzettel wie Klima- und Gewässerschutz, die Reduktion des fossilen Individualverkehrs in der Stadt sowie ein „zukunftsweisendes Schulraumprogramm, das über dem Mindestraumprogramm liegt“.

CDU

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Hans Bartholomä stieg ebenfalls mit der Causa Corona in die Debatte ein: „Plötzlich war Corona knallhart präsent.“ Er erinnerte daran, dass die Pandemie auch die Finanzplanung einer Stadt ordentlich durcheinanderschütteln kann, warb aber auch für die Impfkampagne. Dass der Doppelhaushalt 2022/23 ohne Kreditaufnahmen und Steuererhöhungen auskomme, hob er hervor. Schwerpunkte in seiner Rede legte er auf Themen wie Bildung und Senioren – der Ortsseniorenrat solle unterstützt werden, alternative Wohnangebote wie Senioren-WGs könne man sich vorstellen. In Sachen Wohnraum müssten die Schaffung urbanen Grüns und neuer Wohnflächen zusammengedacht werden. Außerdem, so der Fraktionsvorsitzende, müsse man mehr für Sauberkeit und Sicherheit in der Innenstadt tun. In die Räume der Kinderwelt könne, so ein Denkanstoß, ein Juz/Jugendcafé einziehen. Bartholomä erinnerte auch an den CDU-Vorschlag, aus der alten Bücherei ein Bürgerhaus zu entwickeln.

Freie Wähler

Markus Kämmle, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, hatte für seine Rede klare Schwerpunkte gesetzt. „Wir wollen etwas für die Menschen tun, die dieses Land nach dem Krieg zu dem gemacht haben, was es heute ist“, sagte er und stellte einen Freie-Wähler-Antrag vor. Die Fraktion will eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben mit dem Ziel zu eruieren, ob die Stadt ein kommunales Pflegeheim einrichten und betreiben kann. Kämmle sprach auch über Gewerbesteuereinnahmen und die Tatsache, dass Kornwestheim hier – auch dank W&W und etwa Idexx – perspektivisch gut dastehe. Den Planansatz der Finanzbürgermeisterin und der Kämmerei mit 25 Millionen Euro fürs kommende Jahr hob er als realistisch hervor. In Sachen Wohnraum, betonte Kämmle, sei es sinnvoll, etwa beim Gebiet „Nördlich Zügelstraße“ die Wohnbau, Baugemeinschaften und Co. statt großer Trägerfirmen zum Zuge kommen zu lassen. Weitere Themen der Freien Wähler: mehr Stellplätze pro Wohneinheit und ein Konzept für die Kinderwelt. Wie auch die CDU kann sich Kämmle hier ein Jugendcafé vorstellen.

SPD

Der Fraktionsvorsitzende Hans-Michael Gritz verwahrte sich zunächst dagegen, dass der Begriff Ideologie oft negativ verwendet werde. Der Begriff könne auch Werte vermitteln – bei der SPD etwa Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, von denen man sich auch bei kommunalen Aufgaben leiten lasse. Gritz sprach sodann darüber, wie wichtig soziale Teilhabe sei und warb für mehr Bildungsgerechtigkeit und den Einsatz für die Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund. Auch auf Themen wie den Klimaschutz ging er ein: „Innen- vor Außenentwicklung geht nicht mehr, Projekte wie ‚Nördlich Zügelstraße’ müssen Leuchtturmprojekte für klimaneutrales Wohnen werden.“ Gritz warb einmal mehr dafür, eine Fußgängerzone in der City einzurichten.

FDP

Für den neuen FDP-Fraktionsvorsitzenden Ender Engin war es die erste Haushaltsrede. „Ein besonderer Moment für mich“, betonte er. Engin sprach sodann Themen wie die Schulentwicklung („Darf uns etwas wert sein“), Digitalisierung („Nach dem Umweltschutz das womöglich wichtigste Thema unserer Zeit“), Gewerbegebiete („Flächen für den Mittelstand auslegen“) und bezahlbaren Wohnraum (Städtische Wohnbau, Baugemeinschaften) an. In Sachen Innenstadt begrüße er das Konzept Pop-Up-Store, Leerstände müssten angemietet und mit Leben gefüllt werden. Ein Vorschlag der FDP: eine Machbarkeitsstudie beauftragen, um den Bau einer „McArena“ auf dem Hartplatz des ESG-Geländes zu prüfen und später die dortige Fläche mit Leben zu füllen.

Die vollständigen Reden der Fraktionen finden sich online auf der städtischen Internetseite unter www.kornwestheim.de unter dem Punkt Stadtverwaltung und Haushalt/Finanzen.

Info

Doppelhaushalt
 Auch in diesem Jahr beraten die Stadträte über gleich zwei Haushaltspläne – den für 2022 und den für 2023.

Ergebnishaushalt
 Die Gewinn- und Verlustrechnung weist für 2022 ein Minus von rund 1,6 Millionen Euro aus, für 2023 ein Plus von 1,9 Millionen Euro. Diese Zahlen werden aber nur erreicht, weil die Stadt Grundstücke veräußert. Schulden und Steuererhöhungen sind nicht vorgesehen.

Finanzhaushalt Er stellt die Geldflüsse, also die Ein- und Auszahlungen dar. 2022 mindert die Stadt ihr Guthaben um rund 14 Millionen Euro, 2023 um noch einmal neun Millionen. Die Stadt plant Investitionen von fast 32 Millionen Euro.

Beratungen Der Doppelhaushalt 2022/2023 wird in den kommenden Wochen in den Ausschüssen des Gemeinderats beraten.