Nur ein digitalerEmpfang: der Kreisvorsitzende Rainer Wieland Foto: Peter Meuer

Neujahrsempfang in Coronazeiten: Der CDU-Kreisverband Ludwigsburg feiert nur digital.

Kornwestheim - Das Virus ist gemein: Erst macht’s dem CDU-Kreisverband den traditionellen Neujahrsempfang, der in diesem Jahr immerhin zum 21. Mal über die real existierende Bühne gehen sollte, zunichte. Und dann muss sich die Festrednerin, Kultusministerin Susanne Eisenmann, auch schon nach einer Viertelstunde von der Bildschirmgemeinde wieder verabschieden. Eine Kabinettssitzung ist angesetzt worden. Klar: Virusbekämpfung geht vor Mitgliedermotivierung. Vielleicht kehre sie in einer halben Stunde ja noch einmal vor den Bildschirm zurück, sagt die CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im März. Aber so schnell tagt das Kabinett dann doch nicht.

Im Netz haben sich die CDU-Mitglieder am Dienstagabend versammelt – jeder bei sich daheim. Eine prickelnde und feierliche Neujahrsempfang-Stimmung mag da nicht so recht aufkommen. Auch die Reden von Günther Oettinger, früherer EU-Kommissar und baden-württembergischer Ministerpräsident, sowie vom Kreisvorsitzenden Rainer Wieland tragen nicht dazu bei, wohlgemut und mit großer Lebensfreude in das neue Jahr zu gehen. Über Corona sprechen sie – worüber auch sonst. Zurückschauen mag Rainer Wieland nicht. Man solle das alte Jahr nicht beschimpfen, sagt er und gibt den CDU-Mitgliedern eine Lebensweisheit mit auf den Weg. „Jahre sind, wie sie sind. Man muss sie einfach ziehen lassen.“

Es gebe nur wenige Gewinner dieser Pandemie, sagt Günther Oettinger. Und ausgerechnet China, das Land, in dem das Virus zuerst aufgetreten sei, gehöre dazu. Keine Rezession, kaum noch Infektionen – „China kommt“, warnt Oettinger. Die anderen Gewinner: Google, Microsoft und Amazon, die Unternehmen, die aufs Digitale setzen. Die Verlierer: der Textileinzelhandel zum Beispiel. Oder auch die EU, wenn es ihr nicht gelinge, mit einer Stimme zu sprechen. „Dann wird sie zerdrückt zwischen China und den USA.“ Für die Bundesrepublik fordert Oettinger, weil zurzeit alles auf Pump finanziert werde, einen „seriösen Kassensturz am besten vor der Bundestagswahl“.

Genau, da war ja noch was: die Landtagswahl im März und die Bundestagswahl im September. Baden-Württemberg brauche einen Generationenwechsel, fordert Oettinger. Und er singt das Loblied – ja, auch auf Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann, aber noch lauter auf den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Der setze in der Coronakrise Akzente, sei dynamisch, zugegeben, mitunter auch ein wenig egomanisch. Aber er bringe sein Land voran. Und Susanne Eisenmann? Sie habe 14 Jahre lang sein Büro geleitet, erzählt der frühere Ministerpräsident. Das sei nicht immer einfach gewesen, plaudert er aus dem Nähkästchen, weil sie sehr streng gewesen sei.

Der Kreisvorsitzende Rainer Wieland schwört die CDU-Gemeinde auf einen Wahlkampf ein, der anders sein werde als in der Vergangenheit. Wichtig sei es, sich nicht an den „Tagesaufgeregtheiten“ zu orientieren, sondern Perspektiven aufzuzeigen. Wieland redet und redet – ganz in der Hoffnung, dass Susanne Eisenmann noch einmal zurück ans Mikrofon kehrt. Er listet auf, was ihm alles an diesem Abend fehlt: die gute Verpflegung, die Bedienung, die Sternsinger, die Schwabenhymne. Immerhin: Die Deutschlandhymne gibt’s. Ob die Teilnehmer dazu in den heimischen vier Wänden aufstehen, das bleibt ihr Geheimnis.

„Oetti war wieder einmalig“ schwärmt ein Christdemokrat später im Chat. Ansonsten zeigen sich die Teilnehmer zufrieden mit dieser Form des Neujahrsempfangs. Ein Teilnehmer formuliert es so: „Sie war den Umständen entsprechend alternativlos.“