Die MH-Plus-Zentrale Foto: factum/Jürgen Bach

Die Betriebskrankenkasse muss auf viel Geld verzichten. Der Landesverband in Kornwestheim profitiert.

Kornwestheim/Ludwigsburg - Verlässt man sich auf die Präsentation der MH-plus im Internet, ist die Krankenkasse eine hervorragende Wahl: prima Leistungen, vorteilhafte Konditionen, viele Auszeichnungen und hervorragende Testergebnisse. Für „Focus Money“ zum Beispiel ist die MH-plus Deutschlands beste Betriebskrankenkasse. Ein Urteil des Sozialgerichts in Heilbronn jedoch wirft einen dezenten Schatten auf das tadellose Image.

Was dort entschieden und jetzt bekannt gegeben wurde, lässt die gesetzliche Betriebskrankenkasse wie einen Laden aussehen, der nicht besonders sorgfältig mit dem Geld seiner Versicherten umgeht. Durch das Urteil bleibt die MH-plus auf einem Millionenbetrag sitzen – weil sie eine Frist versäumt hatte. Die Kasse selbst nennt keine Summe. Experten schätzen den Betrag, den sie nicht erstattet bekommt, auf zwei Millionen Euro.

Das Geld hätte die Krankenkasse eigentlich vom hiesigen Landesverband der Betriebskrankenkassen – er hat seinen Sitz in der Stuttgarter Straße in Kornwestheim – erstattet bekommen sollen. Dieser verwaltet eine Art Ausgleichstopf, in den alle Mitgliedskassen einzahlen und unter bestimmten Umständen Geld daraus zurückbekommen. Diese bestimmten Umstände sind teure Leistungsfälle, also Fälle, in denen ein Versicherter mehr Kosten als 200 000 Euro pro Jahr verursacht. Diese Summe kann resultieren aus hohen Krankenhausrechnungen, Ausgaben für teure Medikamente oder teure Spezialbehandlungen. Mit dieser Art Finanzausgleich soll gewährleistet sein, dass kleine Kassen durch teure Versicherte nicht überfordert werden.

Nach der Darstellung des Gerichts hatte die MH-plus Betriebskrankenkasse im Jahr 2011 insgesamt 52 solcher aufwendigen Leistungsfälle. Diese Summe wollte sie, zumindest anteilig, über den Finanzausgleich erstattet haben. Dass sie sie bis jetzt allerdings nicht bekommen hat, liegt daran, dass sie den Antrag dafür zu spät gestellt hat.

Die Frist dafür lief am 31. Oktober 2012 aus, doch die MH-plus reichte die Unterlagen erst am 15. November ein. Als sich der hiesige Landesverband der Betriebskrankenkassen weigerte, die Summe zu überweisen, klagte die MH-plus gegen die Entscheidung – und ist nun vor dem Sozialgericht in Heilbronn unterlegen. „Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt wäre es für die Klägerin ohne Weiteres möglich gewesen (. . .), die Kopien anspruchsbegründender Unterlagen beizufügen oder zumindest bis zum Fristablauf am 31. Oktober 2012 noch nachzureichen“, heißt es in der Pressemitteilung des Sozialgerichts, das damit ein großes Echo ausgelöst hat. „So einen Fall haben wir nicht so oft“, so die zuständige Richterin Claudia Toberer.

Wie die Verhandlung vor dem Sozialgericht ergeben hat, hat die MH-plus ihren Anspruch denkbar knapp verwirkt. Zwei Tage vor Fristablauf nämlich hatte ein Mitarbeiter den Antrag bereits schriftlich angekündigt und in einer mitgeschickten Excel-Tabelle alle 52 Fälle aufgeführt. Die entsprechenden Rechnungen und Rezepte, die den Anspruch belegen sollten, wollte er rechtzeitig nachreichen. Tatsächlich jedoch gingen diese Unterlagen in Form dreier DVDs erst am 15. November beim Landesverband in Kornwestheim ein. Als der Verband der Kasse mitteilte, dass sie ihren Anspruch verwirkt habe, setzte sie auf Nachsicht.

Der zuständige Mitarbeiter habe versehentlich nicht darauf geachtet, die Unterlagen anzufügen. Womöglich sei ihm diese Notwendigkeit nicht bewusst gewesen. Ein halbes Jahr später jedoch argumentierte die Krankenkasse ganz anders: Demnach hätten zwei Angestellte des Landesverbandes dem Mitarbeiter der Kasse sowie dessen Vorgesetztem am 29. Oktober am Telefon eine Fristverlängerung eingeräumt.

Zumindest die zweite Version einer Erklärung für das Versäumnis stufte das Gericht in Heilbronn denn auch als unglaubwürdig ein, zumal man es nicht nachvollziehen konnte, dass sich keiner der beiden Kassenangestellten die angebliche Fristverlängerung schriftlich bestätigen ließ. Und so hat es die Klage der MH-plus letztlich abgewiesen.

Die MH-plus teilte auf Anfrage mit, dass sie Rechtsmittel gegen das Urteil prüfen und einlegen werde. Sie vertritt die Auffassung, dass die Unterlagen, die sie am 29. Oktober eingereicht hat, bereits in Ordnung gewesen seien. Ein finanzieller Schaden entstehe der Kasse beziehungsweise ihren Versicherten in keinem Fall, erklärte eine Sprecherin der MH-plus. Sollte die Kasse den Rechtsstreit tatsächlich verlieren, greife die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung.

Erst wenn das Urteil rechtskräftig ist, kann der Landesverband das Geld aus dem Ausgleichstopf für das Jahr 2011 endgültig unter seinen Mitgliedern verteilen. Bis jetzt liegt diese Summe, rund 5,5 Millionen Euro, quasi auf Eis, weil nicht klar ist, auf wie viele Kassen das Geld verteilt werden muss.