Der aktuelle Kanzler Olaf Scholz (links) und Alt-Kanzler Gerhard Schröder: Sie sind mitunter nicht einer Meinung. Foto: dpa/Maurizio Gambarini

In der SPD brechen während der Ukraine-Krise Konflikte auf. Wie sehen örtliche Sozialdemokraten die Russland-Politik der Regierung?

Kornwestheim - Die SPD steckt derzeit Kritik an ihrer Politik in der Ukraine-Krise ein. Fehlt es Kanzler Olaf Scholz – gerade auf USA-Reise – an Führungsstärke? Hat der Altkanzler und Gaslobbyist Gerhard Schröder noch zu viel Einfluss in der Partei? Ist es nicht falsch verstandener Pazifismus, bis auf ein paar Helme keine militärische Ausrüstung in die Ukraine zu senden? Einige Stimmen dazu von führenden Sozialdemokraten aus Kornwestheim und Ludwigsburg.

Mit der USA im Einklang

„Deutschland macht im Hintergrund sehr viel“, betont Macit Karaahmetoğlu, der Kreisvorsitzender der Ludwigsburger SPD und zugleich Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis ist. Scholz sei nicht jemand, der kurzfristige innenpolitische Interessen hinter die langfristigen Interessen Europas und Deutschlands stelle. „Es bringt nichts, groß zu trommeln, wenn das die Lage noch stärker eskalieren lässt.“ Für Karaahmetoğlu ist klar: Die Strategien der USA und Deutschlands in Sachen Ukraine sind im Einklang. „Deutschland kann eine Brücke darstellen, quasi good cop zum bad cop“, sagt er. Karaahmetoğlu sagt aber auch: „Wenn die territoriale Integrität der Ukraine erneut angegriffen wird, muss das für Russland einen hohen Preis haben.“ Und die Causa Schröder? „Aus meiner Sicht hat er keinen großen politischen Einfluss mehr, der Kanzler heißt Olaf Scholz“, so Karaahmetoğlu. Dass der Altkanzler als Vertreter von Gasfirmen auftrete, kritisiert er. „Ich verstehe nicht, warum er sich in dieser Form engagiert.“

Schröders Auftreten wird Hans-Michael Gritz immer unangenehmer

Auch der Kornwestheimer SPD-Fraktionsvorsitzende Hans-Michael Gritz ist nicht eben glücklich mit der Rolle Gerhard Schröders. „Er spricht nicht für die SPD, sondern nur noch als Privatmann, auch wenn es natürlich noch viele Verbindungen in die Partei gibt.“ Schröder, so sagt Gritz, habe aber kein Mandat und Amt mehr. „Sein Auftreten wird mir immer unangenehmer.“ Was die Ukraine-Politik der SPD angehe, sei er zwiegespalten, sagt der Kornwestheimer Genosse. Er würde sich von Olaf Scholz ganz generell ein etwas energischeres Auftreten wünschen, der Kanzler solle seine Richtlinienkompetenz stärker wahrnehmen. Dass Russland Soldaten an der Grenze aufmarschieren lasse und intern Opposition unterdrücke, dass könne „kein Maßstab“ für Politik sein, so Gritz. Aber: „Es ist gut, dass wir die Tür für Verhandlungen nicht schließen. Solange es eine Möglichkeit gibt, den Konflikt friedlich beizulegen, muss diese genutzt werden“, ergänzt er. In einem Klima zu verhandeln, das nicht völlig von bereits gezogenen roten Linien eingegrenzt sei, könne hier eine gute Sache sein, zumal der Konflikt mit Russland historisch komplex sei. „Ich hoffe, dass Olaf Scholz im Hintergrund eine kluge Politik macht, die dabei hilft, die Situation zu entschärfen“, sagt Hans-Michael Gritz.

Schröder ist kein neutraler Beobachter

Auch Florian Wanitschek aus der Kornwestheimer SPD hofft, dass die Strategie Deutschlands dazu beiträgt, einen Krieg in der Ukraine zu verhindern. „Man sollte so viel wie möglich miteinander sprechen, deshalb halte ich es für ein gutes Zeichen, dass Annalena Baerbock gerade in der Ukraine war und Olaf Scholz bald nach Russland reisen will“, sagt er. Zu den Waffenlieferungen, die die Ukraine derzeit nicht aus Deutschland erhält, will sich er nicht äußern. Er meint nur, es bereite ihm Sorgen, dass manche behaupteten, der Staat sei nur ein verlässlicher Partner, wenn er Waffen liefere. „Das kommt mir vor, als würde zu sehr auf die Eskalation gewartet“, sagt Wanitschek.

Das Vorgehen von Kanzler Olaf Scholz ist in Wanitscheks Augen bisher richtig – auch die Tatsache, dass er bei seinem Besuch im Weißen Haus den Begriff Nord Stream 2 nicht erwähnt hat. „Er hat aber gesagt, dass im Falle des Falls alles auf dem Tisch liegt und alles heißt alles“, sagt Wanitschek. Altkanzler Gerhard Schröder dagegen sieht der Kornwestheimer nicht mehr als einen Mann der SPD. „Er ist kein neutraler Beobachter der Situation mehr, sondern klar verbunden zu Putin“, sagt er.