Dagmar Dannwolf kennt Strategien, um Stress zu vermeiden. Foto: dpa

Dagmar Dannwolf weiß, wen die Coronapandemie in Sachen Stress am härtesten getroffen hat.

Kornwestheim - Die Kornwestheimerin Dagmar Dannwolf ist im Bilde, wenn es um Stress geht. In der Pandemie habe der Druck zugenommen, die Belastungen seien vielfältig – vor allem bei Eltern.

Frau Dannwolf, welche Arten von Stress begegnen Ihnen als Stresscoach zur Zeit am häufigsten?

Unsicherheit, Veränderungsprozesse, Zukunfts- und Versagensängste und Einsamkeit gehören in der Pandemie mit zu den häufigsten Stressauslösern.

Aktuell bieten Sie einen Kurs für gestresste Eltern an. Sind sie in der Pandemie am häufigsten betroffen?

Die Hilferufe der Eltern und der Frust über all die zusätzlichen Aufgaben sind unüberhörbar. Sorgen und Konflikte im Familienalltag und ausgesprochener Stress durch das Multitasking im Home-Office, den Lockdown und Home-Schooling nehmen zu. Eine gesunde Balance zwischen Familienleben, Beruf und eigenen Bedürfnissen der Eltern zu halten, ist schwieriger bis unmöglich geworden. Hinzu kommen Druck und Arbeitsverdichtung am Arbeitsplatz und nicht zuletzt die Sorge, diesen zu verlieren. Viele Familien sind mittlerweile einfach am Limit.

Was ist mit den Kindern?

Kinder brauchen für eine gesunde seelische Entwicklung Sicherheit, Verbundenheit, Zugehörigkeit und Gestaltungsfreiräume. Diese Bedürfnisse sind zur Zeit in Not. Durch die Dauerbelastung ist die Harmonie des Familienlebens anfällig geworden. Kontakte, Spiel- und Bewegungszeiten mit anderen Kindern sind beschränkt. Im Home-Schooling werden Arbeitsblätter ausgefüllt, aber das Gefühl der Verbundenheit im Klassenverband bleibt auf der Strecke. Deshalb nehmen Auffälligkeiten bei Kindern im Sozialverhalten bis hin zur Depression zu.

Wie kann man Stress reduzieren?

Das Zauberwort heißt: Innehalten. Wenn ich eine Pause setze, kann ich meine automatisch ablaufenden Verhaltensmuster erkennen und mich fragen, ob es da nicht noch andere Reaktionsmöglichkeiten gibt. Ganz konkret im Familienkontext: Weg von spontanem, impulsivem Reagieren hin zu bewusstem Handeln, das versucht, hinter jedem Verhalten des Kindes mitfühlend sein wahres Wesen zu erkennen. Damit reagiere ich also nicht wie eine Maschine auf Knopfdruck, sondern mit meiner ganzen Lebendigkeit und Kreativität. Wer inne hält, erhält von innen Halt, sagte schon Laotse.

Achtsamkeit ist einer der zentralen Begriffe in Ihrem Wirken. Was ist damit genau gemeint?

Achtsamkeit ist ein großes Feld. Achtsames Gewahrsein bewirkt die Fähigkeit zur bewussten Steuerung der Aufmerksamkeit. Die Wahrnehmung dessen, was im Moment im Körper und Geist los ist, kann helfen, uns besser zu regulieren, wenn wir in eine Stressreaktion geraten. Meist handeln wir im Autopiloten, ohne groß nachzudenken. Unser Gehirn verirrt sich dann manchmal in die Zeit, als der Säbelzahntiger noch im Gebüsch lauerte. Wenn wir innehalten und etwas zurücktreten, also einen Schritt hinter den Wasserfall unserer Gefühle und Reaktionen treten, werden wir vielleicht immer noch nass, aber wir befinden uns nicht mehr in der akuten Bedrohungssituation. Achtsamkeitsübungen helfen, eingefahrenen Denk- und Verhaltensmustern auf die Spur zu kommen. Wir können eine Pause setzen und uns ganz bewusst für eine angemessene Reaktion entscheiden.