Steffen Bilger sagt: Um bis 2030 das Ziel von 15 Millionen E-Fahrzeugen zu erreichen, müsse noch viel investiert werden – zum Beispiel in die Ladestruktur. Foto: dpa/Marijan Murat

Zum vierten Mal hat er den Wahlkreis Ludwigsburg gewonnen. Staatssekretär ist er aber nicht mehr.

Kreis Ludwigsburg - Mit dem Start der Ampel-Regierung im Dezember war Steffen Bilger, Bundestagsabgeordneter, seinen Job los. Drei Jahre lang hatte er als Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gearbeitet. Im Interview zieht der 42-Jährige Bilanz und sagt, mit welchen Ambitionen er die neue Legislaturperiode angeht, in der die CDU in der Opposition sein wird.

Herr Bilger, „Opposition ist Mist“ hat der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering einmal gesagt. Ist dem so?

Die Opposition hat in der Demokratie eine wichtige Funktion, und deshalb werden wir diese Aufgabe annehmen. Aber natürlich ist an dem Satz auch etwas dran. Manchmal können Sie noch so gute Argumente vorbringen: Die Mehrheit entscheidet am Ende, wie sie will.

Sie waren drei Jahre lang Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Es waren sehr arbeitsreiche, intensive, spannende Jahre. Es war aber auch keine ganz einfache Zeit, wenn Sie nur an das Thema Maut denken. Die Klimadebatte hat uns viele neue Aufgaben beschert, hat aber auch manches erleichtert, weil nun endlich ausreichend Geld zum Beispiel für alternative Antriebe zur Verfügung gestellt wurde. Wir waren zwei Parlamentarische Staatssekretäre, in der neuen Regierung sind es drei. Ich will das überhaupt nicht kritisieren: Auch für sie gibt es genügend zu tun.

Welche politischen Erfolge sind Ihnen besonders wichtig?

Neben den regionalen Themen beschäftigen mich seit Jahren die alternativen Antriebe. Hier haben wir viel erreicht. Insbesondere die Nationale Wasserstoff-Strategie, die ich mit angestoßen habe, war ein richtiger Meilenstein. In der Funktion als Logistik-Koordinator der Bundesregierung war ich in der Corona-Zeit besonders gefordert: Wir erinnern uns alle an die leeren Regale zu Beginn der Krise. In enger Abstimmung mit Logistik-Verbänden, Bundesländern und der EU-Kommission konnten wir die Probleme in kürzester Zeit in den Griff bekommen. Beim Klimaschutz sehe ich mit Genugtuung, dass wir nicht nur das CO2-Ziel für den Verkehrssektor für 2020 erreicht haben, sondern voraussichtlich auch für das Jahr 2021. Im Wahlkreis freue ich mich über fast 100 Projekte unseres Ministeriums vom Breitbandausbau über den Radschnellweg bis hin zur Sanierung der Gumpenbachbrücke. Regional hat mich die Schieneninfrastruktur rund um Stuttgart stark beschäftigt. Mit einem neuen Plan für den Gäubahnausbau und die Anbindung des Flughafens, dem Zuschlag für Stuttgart als Modellprojekt Digitaler Bahnknoten und Ausbauvorhaben im Zulauf auf Stuttgart konnten wir Milliardeninvestitionen auf den Weg bringen, von denen wir in der Region noch lange profitieren werden.

Was nehmen Sie für sich persönlich aus der Zeit mit?

Viele gute und spannende Erfahrungen: Ich habe zum ersten Mal in einem Regierungsapparat, in einer so großen Verwaltung – das Ministerium hat mit allen zugeordneten Behörden mehr als 30 000 Beschäftigte und einen Haushalt von 42 Milliarden Euro – an führender Stelle mitgearbeitet. Die Verwaltung ist besser als ihr Ruf, ich habe viele Mitarbeiter kennen und schätzen gelernt, die ihrer Arbeit mit viel Herzblut nachgehen. Die Arbeit in einem Ministerium erfordert sehr viel Abstimmung – ministeriumsintern wie auch innerhalb der Bundesregierung und mit dem Parlament. Das alles war sehr lehrreich, wie auch insgesamt die Tätigkeit in Angela Merkels letzter Bundesregierung.

Wo sehen Sie das Land derzeit beim Ausbau der E-Mobilität und der alternativen Antriebe?

Bei den Neuzulassungen verzeichnen wir zurzeit ein Viertel Elektrofahrzeuge und Plug-in-Hybride. Ziel unserer Bundesregierung war es, bis 2030 rund 15 Millionen E-Fahrzeuge zu erreichen. Dieses Ziel hat die neue Bundesregierung übernommen. Dafür muss man noch viel machen, zum Beispiel die Infrastruktur ausbauen. Wichtig ist auch, dass der Grundsatz der Technologieoffenheit sich immer mehr durchsetzt: Wir brauchen alle Technologien, um Klimaziele zu erreichen und Arbeitsplätze zu erhalten, also auch Wasserstoff, Biokraftstoffe oder synthetische Kraftstoffe.

Wie ist der Stand bei einem der Themen, die auch den Landkreis Ludwigsburg beschäftigen? Ich meine den Nordostring, die Umgehungsstraße im Süden von Kornwestheim.

Im Ampel-Koalitionsvertrag findet sich ein klares Bekenntnis zum Bundesverkehrswegeplan, anders als es sich die Grünen erhofft hatten. Es gilt aber weiterhin: Das Land entscheidet, ob Planungen – auch zu den verschiedenen diskutierten Varianten – aufgenommen werden oder nicht. Und da tritt Landesverkehrsminister Winfried Hermann auf die Bremse, weshalb der Region Verkehrsprobleme erhalten bleiben.

Wie froh sind Sie, dass mit Volker Wissing ein FDP-Mann das Bundesverkehrsministerium übernimmt? Die Grünen hätten es ja auch gerne gehabt.

Die Erleichterung im Ministerium war groß. Was der neue Verkehrsminister bisher gesagt hat und was Kanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung angedeutet hat, ist eine Bestätigung unserer bisherigen Politik.

Ex-Minister Andreas Scheuer hat bei der Amtsübergabe beklagt, dass man nicht fair mit dem Ministerium umgegangen und es häufig zu Unrecht kritisiert hat. Können Sie sich dieser Einschätzung anschließen?

Aus meiner Beobachtung ist es schon so, dass es ein CSU-Minister in Berlin besonders schwer hat, zudem ist Andreas Scheuer auch niemand, der einem Konflikt aus dem Weg geht. Aber klar ist: Wir haben mit der Pkw-Maut auch Anlässe für Kritik geboten, und die Verkehrspolitik insgesamt steht sehr im Fokus und ist Thema gesellschaftspolitisch aufgeheizter Debatten.

Sind Sie insgeheim auch froh, dass Sie aus dieser Mühle herausgekommen sind?

Wir haben im September unser drittes Kind bekommen. Sicherlich ist der politische Alltag für mich jetzt familienfreundlicher. Ich habe keine Sorge, dass es mir langweilig wird, aber für mich wird der Unterschied zwischen Sitzungswoche mit vollem Programm in Berlin und der Nicht-Sitzungswoche, in der ich zuhause und im Wahlkreis unterwegs sein kann, deutlicher sein als bislang. Denn als Staatssekretär beschränkte sich die Anwesenheit in Berlin oder andernorts nicht nur auf die Sitzungswochen.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Hess, ihr Mitbewerber aus dem Wahlkreis Ludwigsburg, ist nicht zum Vorsitzenden des Innenausschusses gewählt worden. Die AfD wirft den anderen Fraktionen vor, dass sie Minderheitenrechte missachtet. Tun sie das?

Demokratisch gewählten Parteien, ob sie einem nun passen oder nicht, muss man Minderheitenrechte zugestehen. Beim Innenausschuss allerdings kann ich mir einen AfD-Vorsitzenden nicht vorstellen, weil er auch für den Verfassungsschutz und für politischen Extremismus zuständig ist. Und da passt es nicht, dass eine Partei, die in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird, den Vorsitzenden des Innenausschusses stellt. Besser wäre es gewesen, die Grünen hätten sich bei der Vergabe diesen Ausschussvorsitz gesichert und nicht den Vorsitz im Europaausschuss, mit dem sie Anton Hofreiter abfinden wollten.

Sie sind zum stellvertretenden Vorsitzenden der Bundestagsfraktion mit den Schwerpunkten Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit, Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft gewählt worden. Da haben Sie ein breites Feld zu beackern. Mit Verkehr haben Sie nichts mehr am Hut. Warum nicht?

Wir haben in unserer Fraktion die Regel, dass frühere Regierungsmitglieder sich als Abgeordnete nicht mehr mit dem Themenfeld beschäftigen, das sie zuvor bearbeitet haben. Die neuen Themen finde ich spannend, ich freue mich darauf.

Aber sind das denn Themen, in denen Sie firm sind?

Der ländliche Raum, Umwelt und Verbraucherschutz haben uns auch im Verkehrsministerium beschäftigt, ich war zwei Legislaturperioden im Beirat für nachhaltige Entwicklung, nicht alles ist mir fremd. Das Spannende in der Politik ist, dass man sich immer wieder in neue Themen einarbeiten kann.

Sie sind stellvertretender Vorsitzender, aber wer wird Vorsitzender werden?

Unsere Fraktion hat Ralph Brinkhaus für den Zeitraum bis April 2022 wiedergewählt. In der Partei haben sich die CDU-Mitglieder klar für Friedrich Merz als Vorsitzenden entschieden, aber das muss nun erst noch vom Bundesparteitag im Januar bestätigt werden. Der anstehende Bundesparteitag steht jetzt erst einmal im Mittelpunkt.

Zwischen den Jahren kehrt Ruhe bei Ihnen ein, nachdem die vergangenen Monate wohl anspruchsvoll waren?

In der Tat: Die Corona-Pandemie an sich erfordert schon einen hohen Einsatz, zudem der Wahlkampf und die Nach-Wahlzeit, die Neuaufstellung der Fraktion, die Suche nach einem neuen Parteivorsitzenden, das war ein intensives Jahr. Ich freue mich jetzt auf ein paar ruhige Tage.