Pflegeheim oder Senioren-WG? Wohnformen gibt es einige. Foto: dpa/Daniel Karmann

Eine Expertin gibt der Kornwestheimer Kommunalpolitik demografische Zahlen an die Hand.

Kornwestheim - Pflegeexpertin Heike Dierbach hat handfeste Zahlen im Gepäck, und ja: Das seien nicht nur heruntergebrochene theoretische Berechnungen des Landkreises, sondern relativ handfeste Werte. Auch wenn es natürlich „ein paar mehr oder weniger Personen sein können“, sagt sie. Anno 2030 wird es in Kornwestheim demnach 9104 Menschen im Alter zwischen 60 und 85 Jahren geben, 85 Jahre und älter werden mehr als 1322 Kornwestheimer sein. Das Plus bei den Über-60-Jährigen wird demnach 1125 Personen betragen, bei den Über-85-Jährigen 235 Personen.

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Der Bedarf an festen Pflegeplätzen steige auf Basis dieser Berechnungen in Kornwestheim an, rund 350 Kornwestheimer und Kornwestheimerinnen benötigten im Jahr 2030 einen solchen. Es fehlen, so Dierbach, voraussichtlich 40 Plätze. Diese noch nötigen Kapazitäten gibt es Stand heute in den Kornwestheimer Einrichtungen – zu nennen sind vor allem die drei Pflegeheime Jakob-Sigle-Heim, Awo-Heim und Alloheim – nicht.

Freie Wähler hatten einen Antrag eingebracht

Dass Heike Dierbach, Fachbereichsleiterin Soziales, Pflege und Versorgungsangelegenheiten im Landratsamt Ludwigsburg, mit ihrem Packen an Zahlen dieser Tage im Kornwestheimer Gemeinderat zu Gast war, hat Gründe über das bloße Interesse an demografischen Informationen hinaus. Während der Haushaltsverhandlungen im Herbst hatte die Fraktion der Freien Wähler den Antrag eingebracht, die Stadt möge eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Diese, so der Freie-Wähler-Vorsitzende Markus Kämmle, solle klären, ob die Stadt ein eigenes Pflegeheim betreiben könnte und sollte.

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Kämmle und die Freien Wähler kamen mit ihrem Vorstoß nicht durch – 100 000 Euro für die Machbarkeitsstudie wollte der restliche Gemeinderat nicht bereitstellen. Allerdings gab es einen Teilerfolg für die Fraktion. Ob es sinnvoll sei, dass die Stadt ein eigenes Pflegeheim betreibe, bezweifelten zwar viele Stadträte an den anderen Seiten des Ratstisches.

Mehr aufsuchende Seniorenarbeit – oder doch lieber Pflege-WGs?

Einig war man sich quer durch die Fraktionen indes dennoch, dass für die Senioren und Seniorinnen in Kornwestheim neue Möglichkeiten in Sachen Betreuung und Wohnformen nötig sein könnten.

Über mehr aufsuchende Seniorenarbeit dachte und denkt die SPD nach, die Kornwestheimer CDU überlegte während der Haushaltsdebatten in Richtung Pflege-WGs: Senioren-Wohngebäude mit kleinen Mieteinheiten, Gemeinschaftsräumen und zubuchbaren Angeboten. Gesprächsbereitschaft und auch -bedarf sind also da. Und so lud die Verwaltung Expertin Dierbach ein, um als Auftakt für weitere Gespräche den Stand aus Sicht des Landkreises einmal darzustellen und Ratschläge zu geben.

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Im ganzen Landkreis seien übrigens aktuell rund 21 000 Menschen pflegebedürftig, wobei es insgesamt 4300 Dauerpflegeplätze gebe, zählte Dierbach auf. Das zeigt indes auch eines: Nur rund 25 Prozent der pflegebedürftigen Senioren und Seniorinnen leben überhaupt in einer Vollzeit-Einrichtung. Die meisten werden, so Dierbach, von den Angehörigen betreut, und natürlich gibt es Mischformen, etwa Tagespflegeplätze und Pflegekräfte, die mal mehr oder weniger regelmäßig zu den Menschen nach Hause kommen. „Die pflegenden Angehörigen sind der größte Pflegedienst der Nation“, befand die Expertin vom Landkreis mit viel Respekt. Eine Debatte über das weitere Vorgehen gab es während der Gemeinderatssitzung nicht. „Das diskutieren wir in den Ausschüssen weiter“, gab Oberbürgermeisterin Ursula Keck einen Ausblick.

Was also empfiehlt die Expertin?

Lediglich einige Sach- und Verständnisfragen beantwortete Dierbach den Kommunalpolitikern. Markus Kämmle warb dafür, dass es bei einem kommunalen Pflegeheim eben nicht nur darum gehe, Plätze zu schaffen, sondern die Stadt bei einem Heim in eigener Trägerschaft auch die Möglichkeit habe, Missstände zu beheben oder gar nicht erst entstehen zu lassen. „Wir sind näher dran.“

Der Freie Wähler fragte sodann, was Heike Dierbach der Stadt denn nun empfehlen würde. „Sie haben in Kornwestheim drei gute Träger“, sagte die Expertin vom Landratsamt mit Blick auf Alloheim, Jakob-Sigle-Heim und Awo-Heim. Diese würden den „Sockel an Bedarf“ abdecken. Wenn die Stadt Kornwestheim selbst aktiv werden wolle, so gab sie einen Ausblick, dann sei es vielleicht eher sinnvoll, Kooperationen anzustreben und in Richtung alternativer Wohnformen für Ältere zu denken.