Elvis Costello – hier bei einem Auftritt vor wenigen Wochen in Mailand – entdeckt sein Gesamtwerk neu. Foto: imago/IPA/ABACA

Elvis Costello zerlegt beim Konzert am Mittwoch in der Verti Music Hall in Berlin mit Steve Nieve seine Songs und setzt sie neu zusammen – und verrät, was er von Pink Floyd hält.

Einst hüpfte der Song „Watching the Detectives“ lässig zu einem knuffigen Reggaebeat hin und her. Jetzt dröhnt und kreischt Elvis Costellos Gitarre zu einem düsteren Dub-Groove. Der Song wird zu einer schrillen Zeitlupen-Suite voller kaputter Melodiefetzen, die ein verstörendes Eigenleben entwickeln. Der Song, der im Jahr 1977 einer der ersten New-Wave-Hits des Briten war, wird am Mittwoch beim Konzert in der Berliner Verti Music Hall durch eine Echokammer gejagt und wie viele Songs an diesem Abend zertrümmert und neu zusammengesetzt.

„Watching the Detectives“ und „I Want You“ dekonstruiert

Costello (69) wird begleitet von dem Keyboarder Steve Nieve (65), der schon 1977 den Song mit ihm einspielte. Hin und wieder werden die beiden verstärkt durch eine elektronischen Zauberkasten, den Costello in Anlehnung an eine seiner Bands The Imposter nennt. Dieser steuert dann wie bei „Watching the Detektives“ Loops und Beats bei.

Viele der Songs bekommen in den dekonstruierten Versionen, die Costello und Nieve in Berlin in der unverschämter Weise nur halb gefüllten Halle auf Bühne bringen, eine ganz neue ergreifende Intimität: Zum Beispiel wenn Costello in dem Trennungslied „Just Like Candy“, das er zusammen mit Paul McCartney geschrieben hat, davon singt, wie ihn jeder Kratzer auf einer Schallplatte an die verlorene Liebe erinnert, und Nieve dazu auf der Melodica ein traurig gebrochene Weise ertönen lässt. Oder „I Want You“, eine Hymne auf das Verlangen, die sich am Ende des Konzerts in eine grandios verdrehte aus Fingerpickings und Klavierakzenten zusammengesetzte Sehnsuchtsballade verwandelt.

„Verdammt noch mal, ich hasse Pink Floyd!“

Während der Song „Shipbuilding“, der dem Kunstlied so nahe kommt, wie das mit den Mitteln des Pop eben möglich ist, und die Coverversion von Charles Aznavours „She“ einigermaßen unangetastet bleiben, sind die meisten Songs an diesem Abend kaum wiederzuerkennen. Beim Lied „(What’s so Funny ’Bout) Peace, Love & Understanding“ klingt Costello auf einmal wie Bruce Springsteen. „Waiting for the End of the World“ wird nur von einer Art Kirchenorgelgroove begleitet.

Und bevor Costello den Song „Accidents will happen“ in einen Folksong verwandelt, behauptet er, dass das Lied entstanden sei, als er sich in Tucson, Arizona, Hals über Kopf in eine Taxifahrerin verliebt habe. Die Romanze habe aber ein abruptes Ende genommen, als im Radio die komplette zweite Seite des Albums „Dark Side of the Moon“ gespielt wurde und sie sich weigerte, den Kanal zu wechseln: „Verdammt noch mal, ich hasse Pink Floyd!“, sagt er. Und der Szenenapplaus in der Verti Music Hall deutet an, dass er zumindest an diesem Abend nicht der einzige ist.