Unter strengen Auflagen können Abgeordnete im Leseraum des Wirtschaftsministeriums vertrauliche Dokumente zu den TTIP-Verhandlungen einsehen. Foto: dpa

Der TTIP-Lesesaal des Wirtschaftsministeriums wird von den Abgeordneten oft genutzt. Die Grünen-Abgeordnete Katharina Dröge klagt über Informationsdefizite.

Berlin - Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Katharina Dröge freut sich, dass es zumindest an einigen Punkten mit der Geheimniskrämerei vorbei ist. „Es ist befreiend, dass es die Veröffentlichung gibt“, sagt Dröge. Die Bundestagsabgeordnete kennt die geheimen Dokumente zu den TTIP-Verhandlungen bereits, die Greenpeace veröffentlicht hat. Gelesen hat Dröge die Unterlagen, die von Greenpeace ins Netz gestellt worden sind, im TTIP-Leseraum des Bundeswirtschaftsministeriums. Dort können Abgeordnete die Papiere zum Verhandlungsstand studieren.

Doch Dröge darf darüber nicht reden. „Die Offenlegung der Dokumente ist streng untersagt“, heißt es im Merkblatt der Bundestagsverwaltung. Wer dagegen verstößt, muss mit disziplinarischen und rechtlichen Maßnahmen rechnen. Dass nun Details der Verhandlungen publik werden, gibt der Opposition die Möglichkeit, Auskunft von der Bundesregierung zu verlangen, wie sie die Verhandlungspunkte bewertet. Das eröffnet den Weg zu neuen Diskussionen. Bisher erfuhren die Abgeordneten zwar Einzelheiten zum Verhandlungsstand, durften dieses Wissen aber nicht für parlamentarische Initiativen nutzen.

Es gelten strenge Geheimhaltungsregeln

Das liegt an den strengen Geheimhaltungsregeln. Weil auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) Druck bei der EU-Kommission gemacht hat, haben die Parlamentarier seit einigen Monaten die Möglichkeit, Dokumente zu den Verhandlungen einzusehen. Dazu wurde Anfang Februar ein Leseraum eingerichtet. Die Abgeordneten müssen Handys, Kameras und alle elektronischen Geräte abgeben, bevor sie Zutritt erhalten. Sie dürfen sich unter Aufsicht Notizen machen. Nach Auskunft der Bundestagsverwaltung sind zehn Arbeitsplätze im Leseraum eingerichtet worden, davon stehen zwei dem Bundesrat zur Verfügung. Dennoch gebe es nur eingeschränkte Informationsmöglichkeiten, sagt die Grünen-Abgeordnete Dröge. „Wir können bei den TTIP-Verhandlungen nur durch das Schlüsselloch blicken.“

Sie klagt darüber, dass sie den Leseraum nicht so nutzen könne, wie sie das wolle. Schon die Öffnungszeiten seien ein Problem. In den Sitzungswochen des Bundestags kann der Raum von montags bis donnerstags jeweils zwei Stunden am Vormittag und zwei Stunden am Nachmittag aufgesucht werden. Da der Andrang groß ist, müssen die Parlamentarier ihre Terminwünsche schon drei bis vier Wochen vorher anmelden. Da sich gerade in den Sitzungswochen des Parlaments kurzfristige Änderungen ergeben, empfindet Dröge die starre Planung als hinderlich. Es komme vor, dass sie wegen anderer Verpflichtungen Termine im Leseraum absagen muss und auf ein neues Zeitfenster wartet.

Dröge fordert längere Öffnungszeiten. Sie ärgert sich vor allem darüber, dass Mitarbeiter der Abgeordneten keinen Zugang haben. Das betrachtet die Parlamentarier als großen Nachteil, da die Mitarbeiter auch in der sitzungsfreien Zeit regelmäßig vorbeikommen könnten. Die Abgeordneten pendeln dagegen zwischen Wahlkreis und Berlin. Dröge verweist darauf, dass es im Europäischen Parlament den Mitarbeitern der Abgeordneten erlaubt sei, die geheimen Unterlagen zu lesen. Gleiches Recht müsse für Berlin gelten.

Es fehlen noch ganze Kapital

Die Grünen-Frau, die sich für die grüne Bundestagsfraktion um TTIP kümmert, war inzwischen sechs bis sieben Mal im Leseraum. Nach Auskunft des Bundestags nutzten bisher 212 Abgeordnete diese Möglichkeit. Das deutet auf ein großes Informationsbedürfnis hin. Doch es werde Abgeordneten nicht leicht gemacht. Die Texte sind in englischer Sprache abgefasst, erhalten juristische und handelsspezifische Fachwörter. Problem sei vor allem, dass sich die Texte nicht aus sich heraus erklären. Das liegt daran, dass sie oft lückenhaft seien. Den Abgeordneten werden so genannte konsolidierte Texte vorgelegt. Doch es fehlen Aussagen zu wichtigen Themen. So liegt etwa zum Kapitel Schiedsgerichte noch kein Verhandlungstext vor. Mitunter sind die Passagen auch unvollständig. „Oft kann man damit nicht viel anfangen“, sagt Dröge. Dennoch sei die Lektüre der Dokumente hilfreich.

Als Abgeordnete erhalte sie Hinweise, wo sie nachbohren müsse, sagt die Parlamentarierin. Als Nachteil empfindet sie, dass sie keine Informationen zu den Anhängen erhält. In den Anhängen zu den Vertragstexten würden Einzelheiten geregelt. Dröge nennt ein Beispiel: Im Kapital zur öffentlichen Daseinsvorsorge wird in den Anhängen festgelegt, welche Bereiche dem freien Wettbewerb unterworfen werden sollen und welche in staatlicher Hand bleiben. Das Fazit der Abgeordneten: „Die großen Dinge bleiben geheim.“