Es werde Licht: Bei der Frage, wer wie viel für die Straßenbeleuchtungsnetze zahlen muss, gibt es Klärungsbedarf. Foto: factum/Archiv

Wenn’s dunkel wird, sorgen die Straßenlaternen für den Durchblick. Doch bei der Frage, wem die Lampen überhaupt gehören, hat niemand den richtigen Durchblick. 167 Kommunen in Nordwürttemberg streiten mit der EnBW in dieser Angelegenheit. Doch der Versuch, zehn  Millionen Euro Steuergeld zu sparen, droht zu misslingen.

Region Stuttgart - Die Hoffnungen sind groß gewesen. Ende 2013 beschloss die Mitgliederversammlung des Neckar-Elektrizitätsverbands (NEV), gegen den Energieversorger EnBW vor Gericht zu ziehen. Per Musterklage sollte der Preis, den die 167 Mitgliedskommunen für den Kauf ihrer Straßenbeleuchtungsnetze zu zahlen haben, kräftig gedrückt werden. Rund 50 Millionen Euro sollen sie dafür zahlen. Das sind womöglich zehn Millionen Euro zu viel, sagen Insider. Eine Stadt der Größenordnung von Esslingen oder Ludwigsburg könne bis zu eine Million Euro sparen.

Für alle, die damals schon den Kaufvertrag unterschrieben hatten, hatte der Zweckverband NEV eine Beruhigungspille parat. Eine Klausel in den Verträgen sollte sicherstellen: Wenn das Landgericht Stuttgart zum Schluss kommt, dass der Kaufpreis niedriger ist, dann wäre die EnBW zu satten Rückzahlungen verpflichtet.

Doch diese Rechnung scheint nicht aufzugehen. Die Klausel hat nämlich, was bislang nicht öffentlich bekannt war, ein Verfallsdatum: Nach fünf Jahren ist sie verjährt. Für Gemeinden wie etwa Schwieberdingen, die bereits zum 1. Januar 2013 gekauft haben, verliert das vertragliche Sicherheitsnetz also Ende 2017 seine Wirkung. In Anbetracht der Tatsache, dass sich das Verfahren beim Landgericht in die Länge zieht, bleibt nicht mehr viel Zeit.

Gerichtsverfahren zieht sich hin

Die Klage wurde vor nicht ganz zwei Jahren beim Landgericht Stuttgart eingereicht. Die EnBW sah sich außerstande, kurzfristig zu dem Thema Stellung zu nehmen, und erwirkte eine Fristverlängerung bis November 2014. Im Frühjahr 2015 wurde dann ein Verhandlungstermin auf Mai 2015 angesetzt. Dieser platzte jedoch, weil der zuständige Richter den Fall kurzfristig an eine andere Kammer abgab.

Inzwischen deutet sich an, dass die Musterklage des NEV – stellvertretend zog die Gemeinde Adelberg (Kreis Göppingen) vor Gericht – keine allzu guten Erfolgsaussichten hat. Der Vorsitzende Richter hat den Beteiligten nahegelegt, sich gütlich zu einigen, erläutert der NEV in seiner jüngsten internen Mitgliedszeitschrift. Genau das aber war zuvor gescheitert. Viele Bürgermeister hatten dem NEV vorgeworfen, nicht hart genug mit der EnBW verhandelt zu haben – wohl auch, weil der NEV selbst ein (kleiner) Aktionär des Energieriesen ist. Erst dadurch wurde überhaupt die Idee einer Musterklage geboren.

Bürgermeister wollen Netze gratis haben

Im Falle eines Scheiterns wäre der NEV wohl zumindest teilweise selbst schuld. Auf Druck der kritischen Rathauschefs, die den Kaufpreis kräftig drücken wollten, hatte der NEV nämlich beschlossen, vor Gericht aufs Ganze zu gehen. Der alleinige Versuch, die kalkulatorische Grundlage des Kaufs zugunsten der Städte und Gemeinden zu beeinflussen, schien den Machern der Klage nicht mehr genug. Jetzt klagen die Kommunen darauf, das Beleuchtungsnetz komplett umsonst zu bekommen.

Das scheint nicht nur den Stuttgarter Richtern ein wenig zu weit zu gehen – dafür spricht jedenfalls die Tatsache, dass der Vorsitzende Richter Klägern und EnBW dringend eine Kompromisslösung ans Herz gelegt hat. Auch historisch gesehen dürfte der EnBW zumindest ein gewisser Betrag für das Netz zustehen. Schließlich haben deren Vorgänger, die Neckarwerke, für die Übernahme der Beleuchtungsnetze etwas bezahlt. In Baden lief die Sache anders: Dort gingen die Laternennetze vor einigen Jahren laut Vertrag auf die Kommunen über. In Württemberg betrieb die EnBW die Straßenbeleuchtung, quasi als Nebenprodukt der Stromnetze, für die Kommunen. Das allerdings so preisgünstig, dass unlängst das Landeskartellamt diese Nebenbei-Lösung als wettbewerbswidrig einstufte. Nur deshalb kam es überhaupt zu den Rückkaufverhandlungen.

Rüdiger Braun, der Geschäftsführer des NEV, gibt sich trotz aller Fragezeichen optimistisch. „Ich gehe davon aus, dass da nichts anbrennt“, sagt er. Noch immer gelte die Klausel, dass Städte und Gemeinden von einem günstigen Gerichtsurteil profitieren. Noch vor zwei Jahren hatte er zwar selbst gesagt, er gehe davon aus, dass die Sache bis zur höchsten Instanz, mindestens also bis zum Oberlandesgericht, gehe. Inzwischen hält er es für denkbar, dass die EnBW das Urteil der ersten Instanz akzeptiert. Die EnBW will sich laut einem Sprecher nicht zu der Sache äußern. Braun wirbt für Geduld: „Jetzt warten wir erst die Entscheidung des Gerichts ab.“ Sollten die Richter zum Schluss kommen, dass das Netz rechtlich schon den Kommunen gehöre, sei die Klausel ohnehin unnötig.

Geschäftsführer Braun: „Da brennt nichts an“

Das Urteil ist auch für Kommunen relevant, bei denen die Süwag der Energieversorger ist (oder war). Einige Städte und Gemeinden befinden sich seit einiger Zeit in einem vertragslosen Zustand. Viele davon haben mit EnBW oder Süwag Übergangsverträge geschlossen, bei denen sie nur die laufenden Betriebskosten für die Laternen, Masten und Stromverteilerkästen übernehmen. Jürgen Scholz, Bürgermeister der Gemeinde Sersheim, ist optimistisch. Er hatte sich zuvor vehement für die Musterklage eingesetzt: „Sollten die Gemeinden recht kriegen, dann müsste Sersheim eigentlich eine Provision bekommen.“