Grillwürstchen sind mindestens genauso krebserregend wie Glyphosat, meint unser Kommentator. Aber keiner käme auf die Idee, deswegen Stuttgart zur grillwürstchenfreien Stadt zu erklären. Aber es ist halt leicht und populär, chemische Mittel zu verteufeln.
Stuttgart - Anfang März zeigte Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn einem bösen amerikanischen Chemiekonzern, was eine Harke ist: Das Unkraut auf städtischen Grünflächen werde künftig mit Hacken und Freischneidern bekämpft, verkündete er, auf den Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat werde ab sofort verzichtet. Außerdem werde das Gartenamt noch 2016 ein Heißdampfgerät zur Unkrautbekämpfung anschaffen. „Mein Ziel ist es, Stuttgart zu einer glyphosatfreien Stadt zu machen“, so Kuhn.
Vager Verdacht
Die Erklärung ist verwunderlich, weil Kuhn nicht zum Populismus neigt. Das Schüren von Ängsten vor vermeintlichen Umweltgefahren überlässt er sonst anderen. In dem Fall aber hat auch der Grünen-Politiker heiße Luft produziert. Zwar ist Glyphosat von der Weltgesundheitsorganisation in der Tat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft worden. Kuhn verschwieg in der Erklärung aber, dass das Bundesinstitut für Risikoforschung Glyphosat als unbedenklich ansieht. Sonnenbaden und Grillwürste sind zudem laut WHO mindestens genauso gefährlich. Aber keiner käme auf die Idee, Stuttgart deshalb zu einer schattigen, grillwürstchenfreien Stadt zu machen.
Ein Verbot, das keines ist
Es ist leicht und populär, den Einsatz chemischer Mittel zu verteufeln. Ob das aber stets ein Fortschritt ist, muss man bezweifeln. Dem städtischen Weingut hat Kuhn jedenfalls stillschweigend eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Die terrassierten Steillagen, auf die Stuttgart so stolz ist, könnten ohne Glyphosat Schaden nehmen, ihre Bewirtschaftung würde noch aufwendiger und teurer. Ein Mittel zu verbieten, gegen das nur ein vager Verdacht besteht, – und dann doch nicht ganz darauf zu verzichten – das ist peinlich.
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