Ein Frankfurter Börsenhändler freut sich über die Entwicklung der Aktienkurse Foto: dpa

Einerseits schwelen viele Krisenherde weiter, andererseits erreicht der Dax neue Höchstwerte. Die Börsen setzen derzeit auf der Prinzip Hoffnung, meint Klaus Köster.

Stuttgart - Es sind Nachrichten, die nicht so recht zusammenpassen wollen: Für die Ostukraine haben Staats- und Regierungschef zwar einen Waffenstillstand beschlossen, doch bis dahin donnern weiter die Kanonen; in Griechenland versucht die neue Regierung weiter, der EU Milliarden abzupressen. Gleichzeitig erreicht der Deutsche Aktienindex (Dax) einen neuen historischen Höchststand, und die Statistiker müssen die Zahlen für das deutsche Wirtschaftswachstum Ende 2014 nach oben korrigieren. Auf den ersten Blick drängt sich der Eindruck auf: Je schwerer die politischen Krisen, desto lauter jubelt die Wirtschaft.

Wenn verschiedene Entwicklungen zeitlich zusammentreffen, bedeutet dies allerdings nicht zwingend, dass die eine Entwicklung die Ursache der anderen ist. Es kann auch sein, dass die eine Entwicklung – etwa die unermüdlich steigenden Börsenkurse – nicht wegen, sondern trotz der anderen Entwicklung – etwa der politischen Krisenherde – eingetreten ist. Möglich ist auch, dass die Börsianer in der Ukraine-Krise und beim Tauziehen um den Euro mit Schlimmerem gerechnet hatten und nun erleichtert sind, dass die befürchtete Eskalation doch ausgeblieben ist. Der Eindruck, dass die Börsianer den Kanonendonner feiern, ist also keineswegs die einzige Erklärung für das gegenwärtige Geschehen und auch nicht die plausibelste.

Die Lage ist gut, aber die Unsicherheit wird größer

Die schwelende Ukraine-Krise ist nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch wirtschaftlich ein großer Risikofaktor. Die Großwetterlage hat entscheidenden Einfluss auf das Zukunftsvertrauen von Verbrauchern und Unternehmen. Ängste führen dazu, dass Firmen Investitionen und Verbraucher größere Anschaffungen zurückstellen; beides trägt dazu bei, dass aus einer befürchteten eine tatsächliche Verschlechterung wird. Dieses Damokles-schwert gibt es weiter – es hängt vor allem über den Menschen in der Krisenregion, aber auch über der Weltwirtschaft und nicht zuletzt über deutschen Firmen. Die Folgen einer Eskalation würden weit über die Einbußen hinausgehen, die deutsche Firmen bisher durch die Russland-Sanktionen hinnehmen mussten und dank ihrer weltweiten Präsenz gut weggesteckt haben. Bei den Anlegern regiert somit das Prinzip Hoffnung, dass die Waffenruhe tatsächlich eine Stabilisierung bewirkt.

Die aktuelle Wirtschaftslage ist also gut, aber sie ist auch instabiler als früher – und das nicht nur wegen der sicherheitspolitischen Unwägbarkeiten. In Euro-Land rasen zwei Züge aufeinander zu, und keiner der Lokführer will als erster bremsen. Hier die neue griechische Regierung, die mit einem Wahlsieg im Rücken argumentiert, sie könne gar nicht anders, als die von der EU auferlegten Sparprogramme aufzukündigen; und dort die EU-Kommission, die es nicht zulassen kann, dass Vereinbarungen einseitig aufgekündigt werden.

Womit sich die Frage stellt, ob man sich einmal mehr auf einen Formelkompromiss einlässt, der Reizwörter wie „Schuldenschnitt“ und „Verlängerung“ der Sparprogramme zwar vermeidet, in der Substanz aber enthält. Es zeigt sich immer deutlicher, dass der Euro für Länder wie Griechenland noch immer bei weitem zu teuer ist, so dass das Land bei Exporten auf keinen grünen Zweig kommt, während er für Deutschland viel zu billig ist und das Export-Feuerwerk in einem Ausmaß anheizt, das den Graben innerhalb der EU eher noch vertieft.

Bisher vertrauen Börsen und investierende Firmen darauf, dass all diese Krisen zumindest unter Kontrolle bleiben. Auch deshalb ist die Wirtschaftslage so gut wie seit langem nicht. Doch zugleich ist sie in diesen unsicheren Zeiten auch deutlich anfälliger als früher.

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