Der französische Präsident Francois Hollande (links) und Bundespräsident Joachim Gauck gedenken am Sonntag am Hartmannsweilerkopf dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Foto: Getty Images

Irak, Syrien, Israel, der Balkan: Die Spätfolgen des Ersten Weltkriegs beschäftigen die Menschen bis heute. Eine Lösung der verschiedenen Konflikte ist nicht in Sicht.

Es sollte nur ein kurzer Ausflug werden. Einmal Paris und zurück, ein paar Wochen. Mehr nicht. Am Ende werden es vier lange Jahre, in denen ganz Europa zum Schlachtfeld wird. Millionen gehen elend zugrunde: erschossen, erschlagen, erstickt, zerfetzt. Und das ist nur der Anfang: Die Saat ist gelegt für ein noch viel grauenhafteres Gemetzel. Auf 14/18 folgt 1939 bis 1945. 

Irak, Syrien, Israel, der Balkan: Die Spätfolgen des Ersten Weltkriegs beschäftigen die Menschen bis heute. Eine Lösung der verschiedenen Konflikte ist nicht in Sicht. Da erscheint es fast wie eine bittere Pointe der Geschichte, dass pünktlich zum 100. Jahrestag des Kriegsbeginns nicht etwa das Gedenken an die Hölle von Verdun und den Schlamm von Flandern die Schlagzeilen beherrscht, sondern das Chaos in Syrien und im Irak, die Bombardierung Gazas, das Blutvergießen in der Ukraine und der oft schrille Ruf mancher Medien nach einem energischen Auftreten gegenüber Russland. 

Die Folgen des Ersten Weltkriegs, die man jahrelang bequem vor dem Fernseher verfolgen konnte, sie sind mit dem Krieg in der Ukraine wieder vor unserer Haustür angekommen. Zwei Schüsse hatten 1914 eine Entwicklung in Gang gesetzt, die nicht mehr zu stoppen war. 100 Jahre später ist es der Abschuss von Flug MH17, der Europa auf Konfrontationskurs bringt. Doch der Abschuss der malaysischen Boeing – so empörend er ist – wird kein zweites Sarajevo werden. Ein Krieg zwischen Russland und dem Westen scheint noch immer unwahrscheinlich – weil beiden Seiten bewusst ist, dass dieser Konflikt keinen Sieger haben kann. 

„Europa hat es geschafft, den Krieg zu besiegen“, sagt Frankreichs Präsident François Hollande am Sonntag bei der deutsch-französischen Gedenkveranstaltung am Hartmannsweilerkopf im Elsass. Klug geworden aus zwei Weltkriegen, hat Europa dem Nationalismus abgeschworen. In der restlichen Welt sieht dies anders aus. Es bleibt daher Aufgabe einer jeden Generation, den Frieden immer wieder zu verteidigen. Solange eine Krise auf diplomatischem Weg gelöst werden kann, ist es eine politische Verpflichtung, das Gespräch zu suchen. Was das bedächtig scheinende und vielfach kritisierte Auftreten mancher Politiker erklärt, denn anders als manchem Meinungsmacher ist den handelnden Akteuren klar, dass eine Lösung nur mit Russlands Präsident Wladimir Putin zu erreichen ist. 

Putin hat bisher wenig Bereitschaft erkennen lassen, dem Westen entgegenzukommen. Warum auch? Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat der Westen die Schwäche der einstigen Weltmacht rücksichtslos ausgenutzt. Die Nato ist trotz anderslautender Absprachen immer näher an Russland herangerückt und kokettierte zwischenzeitlich sogar damit, die Ukraine und Georgien in das westliche Verteidigungsbündnis aufzunehmen. Nun revanchiert sich Putin in der Ukraine und auf der Krim. 

Europa darf dem kriegerischen Treiben nicht tatenlos zusehen. Doch über eine schärfere Waffe als wirtschaftliche Sanktionen verfügt die EU nicht. Das weiß Putin. Daher ist es umso wichtiger, geschlossen zu agieren. Ein Waffenembargo, das es Frankreich erlaubt, weiter Waffen an Moskau zu liefern, dürfte wenig Eindruck auf den Kremlchef machen. Es reicht eben nicht aus, dass Frankreich und Deutschland Einigkeit demonstrieren, wenn es um die Vergangenheit Europas geht. Gleichwohl macht die Annäherung Frankreichs und Deutschlands Hoffnung. Weil sie zeigt, dass Versöhnung auch zwischen den erbittertsten Feinden möglich ist. Das aber ist wohl das Einzige, was Mut macht – 100 Jahre nachdem sich Europa in den Abgrund stürzte.