Polnische Demonstranten in Poznan zeigen ihrer nationalkonservativen Regierung demonstrativ die rote Karte, weil sie um den Verlust der Meinungsfreiheit fürchten. Foto:  

Erst die Reform des Verfassungsgerichts und dann ein ebenso umstrittenes Mediengesetz: Die nationalkonservative Regierung in Warschau scheut auch mit Europa keinen Konflikt. In Brüssel wird an einer Strategie gearbeitet, um einen ganz großen Knall zu verhindern. Doch die Mittel der EU sind unzureichend, kommentiert Detlef Drewes.

Warschau - Der Begriff „Rechtsstaatsmechanismus“ lässt bereits das ganze Dilemma aufscheinen, in dem die EU in ihrem Konflikt mit Polen steckt. Auf der einen Seite steht die komplizierte Staatenunion mit ihrer Tradition der demokratischen Grundwerte. Auf der anderen Seite steht eine machtgierige Regierung, die nicht nur grobschlächtig redet, sondern ebenso derb und skrupellos handelt.

PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski war noch nie ein Mann des politischen Florettkampfs. Er bevorzugt den Vorschlaghammer. Derzeit prügelt er auf die Grundmauern der jungen polnischen Demokratie ein. Innerhalb von nur sechs Wochen ist es der PiS mit ihrer absoluten Mehrheit gelungen, das Verfassungsgericht zu entmachten und die staatlichen Medien in Propagandainstrumente der Regierung zu verwandeln.

EU-Kommissar Günther Oettinger will Polen genauer auf die Finger schauen

EU-Kommissar Günther Oettinger will dagegen „den Rechtsstaatsmechanismus aktivieren“. Konkret bedeutet das, dass die Kommission Briefe nach Warschau schicken wird, in denen sie Änderungen an beschlossenen Gesetzen anmahnt. Werden diese Bedenken ignoriert, droht im äußersten Fall der Entzug des Stimmrechts in EU-Gremien – eine Sanktion, die von EU-Politikern als „Atombombe“ bezeichnet wird, sprich: als Waffe, die niemand einsetzen will (und wird).

Selbstverständlich ist es richtig, so zu handeln, wie Oettinger dies vorschlägt. Die EU muss mit den unzulänglichen Mitteln kämpfen, die ihr zur Verfügung stehen. Doch was von alledem wird in der polnischen Öffentlichkeit ankommen? Im besten Fall wenig. Im schlimmsten Fall wird ein neues, national gesinntes Kaczynski-Polen im Verein mit Brexit-Briten und Le-Pen-Franzosen den Vorschlaghammer nutzen, um auf die Grundfeste der EU einzuprügeln. Das marode Gebäude dürfte kaum lange standhalten.

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