Verkehrsminister Winfried Hermann Foto: dpa

Verkehrsminister Hermann sorgt auf allen Feldern für Irritationen, meint Jörg Hamann.

Stuttgart - Zu Lande, zu Wasser und in der Luft - überall dort sollte ein Verkehrsminister in seinem Element sein. Von Winfried Hermann kann man das bisher nicht behaupten, obwohl er als ehemaliger Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Bundestags doch elementare Kenntnisse für sein neues Amt mitbringen müsste. Fakt ist aber, dass der Grünen-Minister binnen kurzer Zeit auf allen Zuständigkeitsfeldern Fehlleistungen produzierte.

Noch gar nicht im Amt, kündigte Hermann schon mal an, für Stuttgart 21 nicht zuständig sein zu wollen, wenn das Projekt denn verwirklicht würde. Diese Aussage korrigierte er später, wie auch jene, nicht mit einem Journalisten darüber gesprochen zu haben, dass der Durchgangsbahnhof den Stresstest wohl bestehe. Eine "leichte Sprachverwirrung" räumte er dazu im Landtag ein. Irritierend auch, dass Hermann gegen einen ICE-Bahnhof am Flughafen ist. Ein Minister, der die Regionen Ulm/Oberschwaben und Schwarzwald/Bodensee nicht optimal an den Luftverkehr anbinden will, handelt nicht im Interesse des Landes.

Der Rollenwechsel von der Oppositionsfront gegen S 21 ins Ministeramt ist nicht einfach. Deshalb mag man für Hermanns Irrungen und Wirrungen im Zusammenhang mit dem Milliardenprojekt noch ein gewisses Verständnis haben. Für andere Fehlentscheidungen aber gilt das nicht. Beispiel Wasserwege: Nach zähem Ringen hatte es die Region geschafft, bei Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer Unterstützung für den Ausbau der Neckarschleusen zu bekommen. Damit sollen rund 600000 Lkw-Transporte pro Jahr zusätzlich eingespart und Güter umweltfreundlich verschifft werden. Ein urgrünes Ziel - doch der neue Minister hält den Ausbau der Schleusen in der Region für zweitrangig.

Beispiel Umgehungsstraßen: In Sindelfingen soll der Teilort Darmsheim mit einem Tunnel vom Durchgangsverkehr befreit werden. 23000 Fahrzeuge brettern dort täglich durch, meist Pendler zum größten Mercedes-Werk. 30 Jahre kämpfte die Kommune um Entlastung, erst im Zuge des Impulsprogramms 2008 machte das Land dafür Geld locker. Doch jetzt gibt es einen Baustopp: Für weitere Aufträge fehlt die Finanzierungszusage des Verkehrsministers. Er prüft, wo es nichts mehr zu prüfen gibt.

Hermanns stärkste Leistung ist bisher das Stöbern in S-21-Akten der Vorgängerregierung. Das Ergebnis dieser Detektivarbeit ließ er Amtschef Hartmut Bäumer präsentieren. Es zeigt, wie willfährig Schwarz-Gelb Ende 2009 die Kostenkalkulation der Bahn abnickte, obwohl es warnende Hinweise aus dem Ministerium gab. Das ist bedenklich, aber nicht mehr entscheidend. Bei der Schlichtung im Herbst 2010 nahmen drei unabhängige Wirtschaftsprüfer die Bahn-Kalkulation unter die Lupe und konnten deren Plausibilität nicht erschüttern.

Für die Regierung, vor allem aber für das Land wäre es besser, Hermann packte mit demselben Ehrgeiz Zukunftsaufgaben an, wie er Vergangenheitsbewältigung betreibt. Sonst könnte es passieren, dass er selbst als Minister schnell Vergangenheit ist: In den ersten 60 Tagen seiner Amtszeit hat er viel dafür getan, seinem Ruf als VerkehrtMinister gerecht zu werden.