Viel Wasser, wenig Land, große Bedeutung: das Chagos-Archipel Foto: AP

Das britische Königreich schrumpft. Eine Inselgruppe im indischen Ozean war bisher zu Unrecht im Besitz der Krone, entschied ein UN-Gericht. Das hat Auswirkungen auch auf die USA.

Stuttgart - Auf den meisten Weltkarten ist Chagos gerade einmal ein klitzekleines Pünktchen, mittendrin im indischen Ozean. Kein Wunder, die größte der rund 60 Inseln und Atollen hat eine Fläche, die in etwa der von Zuffenhausen entspricht. Unbedeutend ist Chagos deswegen aber ebenso wenig wie der Stuttgarter Stadtteil. Hier werden keine schnittigen Sportwagen produziert, sondern leistungsstarke Flugzeuge und Schiffe stationiert. Chagos gehört zu Großbritannien, und ist von den Briten an die USA verpachtet worden. 500 Kilometer südlich der Malediven haben die Vereinigten Staaten ihren wichtigsten Militärstandort im indischen Ozean. Bis 2036 läuft der Pachtvertrag – und der muss nun noch einmal ziemlich genau überprüft werden.

Der Status war schon immer umstritten

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat nun befunden, dass Chagos gar nicht zu Großbritannien gehört. Umstritten war das schon immer. Die Inseln waren einmal französisch, ehe sie 1786 zur Krone Ihrer Majestät gelangten. Im geordneten britischen Weltreich wurden sie erst den Seychellen zugeschlagen, und später Mauritius. Beide Länder melden immer noch Ansprüche darauf an, letzteres hat sich nun durchgesetzt. Mauritius hat den Briten zwar die wohl bekannteste Briefmarke der Welt zu verdanken, doch das hinderte den Inselstaat nicht, sich 1968 von seiner Kolonialmacht zu lösen. Um dem Zerfall des Empires wenigstens ein wenig entgegen zu wirken, trennte London den Chagos-Archipel kurz vor der mauritischen Unabhängigkeitserklärung von der ehemaligen Kolonie ab. Zu Unrecht, wie nun der Internationale Gerichtshof befand.

Die ehemaligen Bewohner wurden umgesiedelt

Vor Freude taumelnde Chagossianer sind nach dem Urteilsspruch nicht auf den Inseln zu sehen gewesen – die ehemaligen Bewohner wurden bereits in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den Londoner Nebel zwangsumgesiedelt, um den Amerikanern eine völlig von Menschen befreite Insel übergeben zu können. Viele von ihnen klagen seither vor britischen und europäischen Gerichten – mit wechselhaftem Erfolg. Was nun aus dem Richterspruch in Den Haag, der eigentlich ein Gutachten ist, erfolgt, ist freilich nicht ganz klar. Durchsetzbar ist die Entscheidung nicht. Die Briten müssten sich – mitten in den Wirren des Brexit – kooperationsbereit zeigen.