Die Geschichte König Wilhelms II. ist um eine Anekdote reicher. Foto: imago images/Arnulf Hettrich

Vom König im falschen Grab bis zum Staatssekretär, den es nicht gibt. Man muss genau hinschauen, um nicht geblendet zu werden. Eine Glosse von Jan Sellner

Ein lokales Enthüllungsgeschichtle aus dieser Woche gibt Anlass, an einen antiken Fabeldichter – Phaedrus – zu erinnern. Ihm verdanken wir die zeitlose Erkenntnis, „dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen“. Und das bis in höchste Kreise hinein: Der auf dem Alten Friedhof in Ludwigsburg bestattete letzte württembergische König Wilhelm II. zum Beispiel – das haben kluge Köpfe und bohrende Frager herausgefunden – liegt gar nicht in dem Grab, auf dem sein Name steht, sondern im Grab daneben. Eine verrückte Geschichte. Eigentlich eine Lausbubengeschichte. Nur dass die Lausbuben in diesem Fall aus dem Ludwigsburger Rathaus und aus dem Hause Württemberg kommen.

 

Die beiden Häuser hatten sich, wie man jetzt weiß, bei der Renovierung der königlichen Grabstätte 1999 darauf verständigt, die Grabplatten der drei dort bestatteten Herrschaften neu und standesgemäß zu arrangieren. Wilhelm II., der in einer Linie mit seiner ersten Frau Marie Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont ruht, sollte in den Mittelpunkt gerückt werden. Dafür musste seine zweite Frau Charlotte weichen beziehungsweise deren Grabplatte. Charlotte war später verstorben und deshalb optisch vor den beiden anderen platziert worden.

Mit der Landesverfassung konnte man zunächst keinen Staat machen

Ein König in der zweiten Reihe – das durfte offenbar auch im Zeitalter der Republik nicht sein. Die Sanierung der Grabstätten bot Gelegenheit, die Geschichte zu begradigen. Und so rochierten die Grabplatten vor 23 Jahren im Kreis herum. Wie es unter der Oberfläche aussieht, war den beteiligten Häusern offenbar wurscht, denn die königlichen Gebeine verblieben an ihrem ursprünglichen Ort. Hauptsache nach außen war der Schein gewahrt oder vielmehr überhaupt erst hergestellt.

Die Geschichte des letzten württembergischen Königs, dem anlässlich seines 100. Todestags in Stuttgart zwei Ausstellungen gewidmet waren, ist damit um eine Anekdote reicher. Sie ist auch ein schöner Anlass, um auf andere mehr oder weniger populäre Irrtümer und Scheingeschichten vor unserer Haustüre aufmerksam zu machen.

Wie war das noch mal mit der Landesverfassung? Mit dem Gründungsdokument des Südweststaats von 1953 konnte man keinen Staat machen; es war ein unscheinbares Schriftstück, auf dem Ministerpräsident Gebhard Müller mit Bleistift (!) unterschrieb, wie Albrecht Ernst vom Hauptstaatsarchiv weiß. Die Aufwertung folgte einige Jahre später, als eine in Pergament gebundene Ausgabe der Verfassung präsentiert wurde – samt Prägesiegel des Landeswappens, das zum Zeitpunkt der Verkündung allerdings noch gar nicht existierte. Schöner Schein eben. Übrigens hatte das Länd damals auch noch keine Pünktchen auf dem „a“.

Die Göttin mit den lockeren Schrauben

Bekannter ist der Irrtum, der sich mit der Säule auf dem Schlossplatz verbindet. Trotz kriegerischer Motive handelt es sich um eine Jubiläums- und nicht um eine Siegessäule, wie gelegentlich gemutmaßt wird. Aufgestellt wurde sie anlässlich des 25-jährigen Regierungsjubiläums und des 60. Geburtstags von König Wilhelm I. 1841. Dass die Göttin Concordia auf der Spitze seit geraumer Zeit ein paar Schrauben locker hat oder vielmehr das Podest, auf dem sie steht, scheint hingegen nicht nur so, sondern entspricht der Wirklichkeit. Die Verantwortung für diese Dauerbaustelle liegt beim Land. Auch das ist tatsächlich und nicht nur scheinbar so.

Andere Dinge, von denen man annimmt, dass es sie gibt, sind reine Fantasieprodukte. Hier sei an den berühmten Staatssekretär Hägele erinnert, der bei einer landesweiten Umfrage 2014 auf einen Bekanntheitsgrad von 22 Prozent kam, obwohl die Figur frei erfunden war. Der Name Hägele reichte offenbar. Und die Bezeichnung Staatssekretär. Wenigstens liegt er nicht im falschen Grab.