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Wegen der Darstellung seines Großvaters als NS-Täter hat Volker Lempp den Vertrieb eines Buches zu verhindern versucht. Doch kurz vor der Gerichtsverhandlung am Donnerstag zog der Jurist seine Klage zurück.

Stuttgart - Im kürzlich erschienenen Buch "Stuttgarter NS-Täter" findet sich auch ein Beitrag über den städtischen Obermedizinalrat Karl Lempp (1881–1960). Er soll laut Autor Karl-Horst Marquart und Herausgeber Hermann Abmayr während der Nazizeit für die Zwangssterilisierung von Behinderten und die Ermordung von Kindern verantwortlich gewesen sein.

Lempps Enkel versucht, das Kapitel streichen zu lassen – hat jetzt aber einen Gerichtstermin überraschend platzen lassen. Das Ende des Streits muss das aber noch nicht bedeuten.

Eigentlich hätte das Stuttgarter Landgericht am Donnerstag über einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung des Juristen Volker Lempp entscheiden sollen. Er argumentiert unter dem Hinweis auf Dringlichkeit, sein Großvater habe sich nichts zuschulden kommen lassen, was seine Einstufung als NS-Täter in dem Buch rechtfertigen könne.

Die Ausführungen seien falsch, einseitig und tendenziös, deshalb müssten sie entfernt werden. Mit derselben Begründung hatte Lempp bereits zuvor vergeblich versucht, eine Lesung zu verhindern. Am Donnerstag nun zog er kurz vor der Verhandlung seinen Antrag zurück.

Inzwischen 2500 Büchern verkauft

Dahinter steckt aber kein Meinungsumschwung. Das Vorgehen sei "juristischen Details" geschuldet, so der Anwalt am Mittag. Er habe noch am Vorabend von der Gegenseite einen ausführlichen Schriftsatz bekommen, der die Dringlichkeit anzweifle. Daraufhin habe er seinen Antrag zurückgezogen. Das bedeute aber nicht, dass es zu keinem regulären Prozess mehr kommen könne: "Die gerichtliche Klärung steht noch aus." Ob er aber wirklich noch eine Klage anstrengen will, ließ Lempp am Donnerstag offen.

Das hat persönliche Gründe. "Die ganze Geschichte hat sich ziemlich aufgeheizt", sagt Lempp, "es war in den vergangenen Tagen eine interessante Erfahrung, wie man von außen unter Druck geraten kann."

Er habe nichts gegen Aufklärung oder das Buch an sich, man werde aber sofort als Nazi abgestempelt, wenn man einen Toten in Schutz nehme, so der Jurist. Er will das weitere Vorgehen nun in Ruhe mit seiner Familie besprechen.

Herausgeber Abmayr zeigt sich "überrascht, dass Lempp so schnell zurückzieht". Für die Verhandlung sei man optimistisch gewesen. Auch inhaltlich bleibt er bei der Darstellung des Buchs, das wichtig sei: "Die Euthanasie ist ein vernachlässigtes Thema. Viele haben verdrängt, dass neben Juden auch Kinder und Behinderte ermordet worden sind, auch im Schwabenland."

Der Stuttgarter Schmetterling-Verlag, in dem das Buch erscheint, hat die Auslieferung allerdings vorsichtshalber eingestellt. Daran werde sich auch in den nächsten Tagen nichts ändern, so Sprecher Jörg Hunger. "Wir müssen uns jetzt zunächst rechtlich beraten lassen, denn die endgültige Klärung steht ja noch aus." Man plädiere immer noch auf eine außergerichtliche Einigung. Abmayr selbst dagegen vertreibt das Buch nach wie vor. Inzwischen sind über 2500 Exemplare verkauft. Zumindest dem Absatz dürfte der Streit nicht geschadet haben.