Dietmar S. ist auf einem Auge so gut wie blind – und überzeugt, dass er unter einem Impfschaden leidet. Foto: Christian Gottschalk

Vor dem Landgericht in Rottweil hat der deutschlandweit erste Prozess gegen Biontech begonnen, bei dem ein Patient Schadenersatz für vermeintliche Impfschäden einfordert.

Die Firma Biontech hat in Deutschland mehr als 160 Millionen Dosen Corona-Impfstoff ausgeliefert. Wie vielen Menschen dies das Leben gerettet hat, ist ebenso wenig bekannt wie die Zahl derer, die unter der Impfung zum Teil schwer gelitten haben. Vor dem Landgericht in Rottweil hat nun der deutschlandweit erste Prozess gegen die Pharmafirma begonnen, bei dem ein Patient Schadenersatz für vermeintliche Impfschäden einfordert.

Nur nachts ist es erträglich für den Kläger

Dass es Dietmar S. nicht gut geht, steht außer Frage. Der ehemalige Werkleiter eines Automobilzulieferers im Schwarzwald ist inzwischen auf einem Auge nahezu blind. Unmittelbar nach der zweiten Impfung habe das Leid begonnen, sagt Dietmar S. vor der 2. Zivilkammer. Der Schwurgerichtssaal des Landgerichts ist gut besucht, Journalisten aus der ganzen Republik schreiben mit, als Dietmar S. erzählt, dass er an Erinnerungslücken gelitten hat, dass dem Fußballfan nicht mehr die Namen der Nationalspieler eingefallen sind.

„Die schönste Zeit ist die Nacht“, sagt Dietmar S., zumindest die Dämmerung. Zu Hause sei bei ihm inzwischen immer abgedunkelt, denn die Augen seien extrem lichtempfindlich. „Wir können menschlich nachvollziehen, was Sie da sagen“, sagt Rechtsanwalt Tobias Bomsdorf, der den Pharmakonzern vor Gericht vertritt.

Es fehlt noch an Rechtsprechung

Die menschliche Tragik sei das eine, sagt der Vorsitzende Richter Torsten Hub, es gehe hier jedoch darum, den gesetzgeberischen Willen auf ebendiesen Fall anzuwenden. Und angesichts der eingereichten Unterlagen lasse sich erkennen, dass „der ein oder andere Risikofaktor für einen Augeninfarkt“ durchaus auch vor der Impfung vorhanden gewesen sei. Das Arzneimittelgesetz, welches als Anspruchsgrundlage infrage kommt, biete viele Möglichkeiten, die dem Patienten eine Klage erleichtern – aber eben auch bestimmte Anforderungen. „Zwei Ursachen, die einen gewissen Wahrscheinlichkeitsgrad überschreiten, könnten dazu führen, dass Sie letztlich mehr beweisen müssen“, so der Richter zum Kläger. Gefolgt von dem Hinweis, dass es in diesem Bereich noch an Rechtsprechung fehle. „Alles schwierig“, sagt der Vorsitzende Richter, den Vorschlag eines Vergleichs lehnt der Anwalt der Pharmafirma ab. „Berechtigte Ansprüche würden wir erfüllen“, sagt deren Anwalt, aber die sehe er hier nicht.

Verfahren geht erst einmal weiter

Einigen konnten sich die Parteien darauf, dass es noch einiges an Papieren hin und her zu schicken gibt, das Verfahren geht daher erst einmal zwischen den Anwälten schriftlich weiter. Das hatte Joachim Cäsar-Preller, der Dietmar S. in Rottweil vertritt, schon vor dem ersten Verhandlungstag auf den Stufen des Gerichts erklärt.

„Das wird ein langer, steiniger Weg“, so der Anwalt aus Wiesbaden, der bundesweit inzwischen rund zweihundert Impfschadensfälle vor Gericht vertritt. Ebenso klar sein Hinweis: „Jedes Verfahren ist ein Einzelfall. Auch wenn wir hier gewinnen, muss das für die anderen Verhandlungen nichts bedeuten.“

Das Gericht hat nun für den 29. September einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung terminiert. Das muss nicht zwingend ein Urteil sein – an diesem Termin könnte zum Beispiel auch entschieden werden, dass weitere Beweise erhoben werden müssen.