Auch die „Wüstenblumen“, so heißt die Band, Foto: Michael Steinert

Die Kirchheimer Musiknacht hat Kultcharakter in der Szene. Der späte Termin hat den Veranstaltern allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Kirchheim - Besser spät, als überhaupt nicht. Nach 14 Monaten Wartezeit spielten am Samstag wieder zahlreiche Bands und Discjockeys an 43 Lokalitäten in Kirchheim. Dabei erschien es im vergangenen Jahr zeitweise noch ungewiss, ob es in diesem Jahr überhaupt eine Musiknacht in der Teckstadt geben wird.

Veränderte Sicherheitsvorgaben verursachten hohe Kostensteigerungen. Der Organisator Michael Holz entschied sich zum Weitermachen – in diesem und auch im kommenden Jahr. Dass mit rund 5000 Besuchern nun viel weniger Menschen zur Musiknacht kamen, als in den vergangenen Jahren, wo zwischen 8000 und 10 000 Besucher ein Ticket gelöst haben, ist also gleich doppelt bitter für ihn. Als möglichen Grund nennt der Veranstalter Holz den späten Termin, an welchem es sehr viele Konkurrenzveranstaltungen in der Region gegeben habe.

Es heult und schreit, es bellt und schießt, es knackt und ächzt

Diejenigen, die gekommen waren, freuten sich über eine große Auswahl an Bands. Auf dem kleinen Platz zwischen der Wunderbar, dem Freudenhaus und dem Gasthaus Brauerei trat Calo Rapallo mit seiner Band auf. Der Sizilianer aus dem Remstal rockt die Bühnen der Region seit mehr als 30 Jahren. Musikalisch besticht er mit Blues, Rock, und ganz viel Jimmy Hendrix.

Bei dem Titel „Voodoo Child“ fliegen seine Finger in einer für das menschliche Auge kaum noch wahrnehmbaren Geschwindigkeit über den Gitarrenhals seiner Fender Stratocaster. Das Instrument heult und schreit, es bellt und schießt, es knackt und ächzt unter den Traktionen seines Meisters. Rapallo weiß genau, wann er die Klampfe an der langen Leine führen kann und wann er die Kontrolle übernehmen muss. Begleitet wird der Gitarrenmeister von einem Schlagzeug, einem Bass und stellenweise von einer Mundharmonika. Der Sound erreicht trotz dieser Minimalbesetzung eine Fülle, wie sie sonst nur von einem ausgewachsenen Philharmonieorchester erreicht wird.

Nachdem sich Rapallo in Ektase dem Gitarrensolo von „Voodoo Child“ hingab, und dabei auch mit der Gitarre hinter dem Nacken gespielt hat, schien eine Erklärung fällig zu sein. Es waren schließlich auch Familien auf der Musiknacht. „Das war jetzt a bissle abgefahren, als ob mir etwas genommen hätten. Aber mir haben nix gnomma“, versicherte der Sänger in breitem Schwäbisch. „Wir sind immer so“, erklärte er.

Show aus Tanz, Bewegung und Pantomime

Etwas weiter, am östlichen Rand der Altstadt, trat mit Juniique eine großartige Band aus Reutlingen auf einer kleinen Bühne auf. Ihre laute und moderne Rockmusik mit deutschen Texten hätte ein größeres Publikum verdient. Zu Beginn ihres Auftritts legten die Musiker einen Kickstart hin, der es schwer machte, das Gleichgewicht zu halten. Von Null auf Hundert in wenigen Takten. Die Besucher flanierten währenddessen als Pärchen oder Träubchen aller Altersklassen durch die Gassen der historischen Altstadt und genossen die Atmosphäre vor der Fachwerkkulisse.

An der Peripherie fällt es den Künstlern erfahrungsgemäß schwerer als in der Innenstadt, ein großes Publikum vor die Bühnen zu locken. In der westlichen Max-Eyth-Straße spielte Little Miss Martin am frühen Abend. Die Coverhits wie „Papa was a rolling Stone“ oder „Wild wild West“ wurde mit einem Groove vorgetragen, der zum Schwofen einlud. Die leicht kratzige Stimme der Miss auf der Bühne, aber vor allem ihre Show aus Tanz, Bewegung und Pantomime – wohlgemerkt, ohne den Atem dabei zu verlieren – begeisterte mehr und mehr Menschen an diesem Abend.

Vor der Martinskirche kamen am Abend vor allem jüngere Leute, um sich den Auftritt der Band Groove Digger anzusehen. Diverse Shirtträger mit dem Logo der Band zeigten, dass viele Zuschauer nicht das erste Mal einen Auftritt dieser Band besuchten. Musikalisch covert Groove Digger bekannte Hits und gibt ihnen ein neues Gewand. Die alten Lieblingssongs können so noch einmal neu genossen werden. Die Bühnenshow, die Outfits und das Licht – alles war aufeinander abgestimmt. Die Generation YouTube weiß eben, sich auf der Bühne zu inszenieren. . .