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Seit dem 1. Januar gilt eine neue EU-Norm, die Kinderwagen auf Rolltreppen verbietet. Während viele Eltern darüber den Kopf schütteln oder von der neuen Verordnung noch gar nichts mitbekommen haben, zeigen Betreiber und Hersteller Verständnis.

Stuttgart - Seit dem 1. Januar gilt eine neue EU-Norm, die Kinderwagen auf Rolltreppen verbietet. Während viele Eltern darüber den Kopf schütteln oder von der neuen Verordnung noch gar nichts mitbekommen haben, zeigen Betreiber und Hersteller Verständnis.

"Denen in Brüssel müsste man mal einen Tag einen Kinderwagen in die Hand drücken", regt sich Anda Sabou am Hauptbahnhof über die neue Norm auf. "Ich werde diese Regel jedenfalls nicht beachten", gibt die Stuttgarterin offen zu. Ohne Rolltreppe den Alltag meistern? "Das geht doch gar nicht", schüttelt die junge Mutter den Kopf und fügt an: "Alleine das Problem, wenn die Aufzüge überfüllt oder kaputt sind. Dann wartet man oft ewig."

Eine Erfahrung, die auch Meike Walther schon häufig gemacht hat. "Vor allem in den Einkaufshäusern." Für die Sillenbucherin sind jedoch noch andere Gründe aus dem alltäglichen Leben maßgeblich, sich über das neue Verbot hinwegzusetzen. "Ganz ehrlich: Wenn der Kleine schreit und ich die Bahn erwischen muss, nehme ich sicherlich die Rolltreppe." Obgleich sie die Gefahr nicht unterschätzt, die an den fahrbaren Aufgängen lauert: "Man darf eben nicht leichtsinnig sein."

Ins selbe Horn bläst der dreifache Familienvater Jochen Geiger aus Kirchheim. "Wenn der Kinderwagen als Einkaufskorb verwendet wird und voll beladen ist, würde ich auch lieber den Fahrstuhl benutzen." Besonders zierliche Frauen könnten seiner Beobachtung nach deswegen Probleme bekommen. Dennoch steht für ihn fest, dass jeder "selbst wissen muss, ob er das Risiko einer Rolltreppenfahrt" in Kauf nehmen wolle. Seine Frau Simone ist erst kürzlich durch einen Fernsehbericht auf die Neuregelung aufmerksam geworden - und verdreht beim Thema EU-Norm nur die Augen.

Genauso wie Thomas Langfeld. Der SSB-Fahrgastbetreuer hatte bisher von der neuen Vorschrift noch überhaupt nichts gehört und fällt deshalb fast aus allen Wolken: "Ein Rolltreppenverbot für Kinderwagen? Das ist doch purer Schwachsinn!" Bei Müttern, die bisher schon Angst vor den fahrenden Wegen hatten, haben er und seine Kollegen "sowieso bereitwillig angepackt".

Die Zahl der Fragen von Müttern und Vätern an die Fahrgastbetreuer nach dem Weg zum Aufzug ist seit dem Jahreswechsel sprunghaft gestiegen. Hilfesuchend erkundigt sich auch das Stuttgarter Ehepaar Markus und Judith Könning. Trotzdem bringen beide sogar Verständnis auf, "aber nur, wenn genügend funktionierende und gut ausgeschilderte Fahrstühle vorhanden sind". Und wenn kein größerer Umweg in Kauf genommen werden muss. In diesem Punkt sind sich alle Betroffenen einig.

Bei den Rolltreppenbetreibern stößt die neue EU-Norm auf Verständnis. "Man sollte auch sehen, wie gefährlich das Mitnehmen von Kinderwagen ist", sagt Claus-Dieter Hauck, Leiter der Abteilung Stadtbahn, Brücken und Tunnelbau beim Tiefbauamt. Es komme zwar zu sehr wenigen Unfällen, sinnvoller sei aber trotzdem das Umsteigen in Aufzüge. "Die gibt es in Stuttgart fast überall", so Hauck.

Das Tiefbauamt, das zusammen mit den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) 114 Rolltreppen betreibt und wartet, hat inzwischen an jeder zweiten Piktogramme angebracht, die auf das Kinderwagenverbot hinweisen. "Der Rest wird bis Mitte Januar bestückt sein", so Hauck. Letztlich sei es eine Abwägung der Eltern, ob sie längere Wege zum Aufzug oder die Gefährdung ihres Kindes und anderer Menschen auf den Rolltreppen in Kauf nehmen wollten.

Ähnlich sehen die Hersteller die Norm. "Wenn es darum geht, Unfälle zu vermeiden und die Sicherheit zu erhöhen, unterstützen wir das", so eine Sprecherin der ThyssenKrupp Fahrtreppen GmbH in Hamburg. Viele Leute seien sich des Risikos nicht bewusst - entscheiden müssten sie aber selbst.