Für sie muss Geld da sein: Kita-Kinder. Foto: Dagobert Maier

Die Ampel muss die Kindergrundsicherung im Jahr 2025 auszahlen, auch wenn das ein hohes Ziel ist. Sonst wäre sie sozialpolitisch gescheitert, schreibt unser Berliner Büroleiter.

Es ist ein schöner Brauch, Kinder nach Ostereiern suchen zu lassen. Wer aber wäre nicht empört, wenn jemand auf die Idee käme, Mädchen und Jungen sollten auch morgens erst einmal ihr irgendwo verstecktes Pausenbrot suchen – und, falls sie es nicht finden, gar ohne eins in die Schule gehen? Oder aber, wenn es sogar das Mittagessen nur für die Findigen unter den Kindern gäbe?

So abstrus das klingt, in Wirklichkeit geht der Staat schon lange exakt so mit Familien um, gerade mit den einkommensschwachen und armen. Es gibt eine Vielzahl von Familienleistungen. Die einen – wie das Kindergeld – erreichen nahezu alle, denen es zusteht. Bei anderen, wie dem Kinderzuschlag und dem Bildungs- und Teilhabepaket, ist dies nicht annähernd Fall.

Hilfen werden nur bedingt in Anspruch genommen

Gerade diese Leistungen sind es aber, mit deren Hilfe Kinder abgesichert und gefördert werden sollen, bei denen zu Hause das Geld besonders knapp ist. Die Eltern wissen oft nicht, dass ihnen diese Leistungen zustehen – oder sie schämen sich, sie in Anspruch zu nehmen. Die Politik hat es über viele Jahre eingepreist, dass die Hilfen nur bedingt in Anspruch genommen werden. Das ist ein sozialpolitischer Skandal.

Die Ampelkoalition will mit diesem Skandal Schluss machen und hat versprochen, eine Kindergrundsicherung einzuführen. In ihr sollen unterschiedliche Leistungen zusammengeführt werden – und sie soll dabei helfen, dass das Geld insbesondere bei denen ankommt, die es wirklich brauchen. Das ist so logisch wie überzeugend. Nur: Der Weg dorthin ist leider sehr kompliziert.

Die Grundsicherung – ein ehrgeiziges Ziel

Von außen betrachtet erscheint es verrückt, dass es sieben Ministerien und einen Vorlauf von mehreren Jahren braucht, um das Leistungsdickicht zu entflechten. Jeder, der das System von innen her kennt, sagt: Es ist ein ehrgeiziges Ziel, dass noch in dieser Legislaturperiode, also im Jahr 2025, die Kindergrundsicherung ausgezahlt wird. Klar ist: Das muss der Ampel gelingen. Sonst wird sie als sozialpolitisch gescheitert gelten.

Dass bereits jetzt hart über die finanzielle Ausstattung des Projekts gerungen wird, kann kaum verwundern. Finanzminister Christian Lindner hat ein stichhaltiges Argument, wenn er darauf verweist, dass das Kindergeld bereits spürbar erhöht worden ist. Dennoch sollte er sich noch mal einen Ruck geben. Ein Land wie Deutschland, in dem es so viel Reichtum gibt, muss für Kinder aus ärmeren Familien mehr tun. Familienministerin Lisa Paus wird mit Sicherheit nicht die 12 Milliarden Euro zusätzlich bekommen, die sie fordert. Aber Lindner sollte unbedingt noch einen größeren Schritt auf sie zugehen.

Einerseits hat der Finanzminister Recht, dass der Staat – nach gigantischen Ausgaben in großen Krisen – nicht alles leisten kann. Andererseits hat er Unrecht, weil der FDP-Vorsitzende selbst mit seinem kategorischen Nein zu jeder Steuererhöhung verhindert, dass Vermögende und Menschen mit sehr hohen Einkommen einen höheren Beitrag leisten. Lindners Prinzipien erschweren den Kampf gegen Kinderarmut.

Es geht um mehr, als materielle Sicherheit

Das Land hat in dieser Legislaturperiode wahrscheinlich nicht den letzten Koalitionsausschuss erlebt, bei dem ganze Nächte durchverhandelt werden. Wenn es zum Showdown um die Kindergrundsicherung kommt, sollten die Beteiligten nicht vergessen, dass es um mehr als materielle Sicherheit geht. Der Bund sollte auch das Startchancen-Programm, mit dem Schulen in sozialen Brennpunkten gefördert werden sollen, noch besser ausstatten.

Der Staat muss beides tun: Armut bekämpfen und Bildungschancen aktiv fördern. Das ist gerecht – und, mit Blick auf den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel, auch ökonomisch am klügsten.