Schon lange fordern deutsche Katholiken, dass auch Frauen für das Weiheamt zugelassen werden. Doch die Kirchenleitung zaudert
Münster - Vor zwei Jahren keimte bei vielen Katholiken wieder Hoffnung auf. „Wir sind davon überzeugt, dass die Zeit überreif ist, Frauen zu Diakoninnen zu weihen“, kündigte Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), beim 100. Katholikentag 2016 in Leipzig an. Das ZdK werde sich dafür einsetzen, das Diakonat als Weiheamt für Frauen zu öffnen. Kurz zuvor hatte Papst Franziskus eine Kommission zur Untersuchung des Diakonats angekündigt.
Doch inzwischen macht sich Ernüchterung breit. Von den mehr als 1000 Veranstaltungen beim diesjährigen 101. Katholikentag in Münster, der an diesem Mittwoch beginnt, ist keine einzige dem Frauendiakonat gewidmet. Deshalb wollen die katholischen Frauenverbände dort ein sichtbares Zeichen in Richtung Kirchenleitung senden. Sie rufen die Gäste dazu auf, bei Gottesdiensten, Diskussionen und anderen Veranstaltungen über einem weißen Oberteil den Katholikentags-Schal zu tragen – diagonal über der linken Schulter, wie die Stola des Diakons.
„Unsere Geduld ist zu Ende“
Das große Schweigen der Kirchenleitung enttäuscht auch viele Gemeindemitglieder. Am Tag der Diakonin, der in Rottenburg seit 20 Jahren mit einem Gottesdienst gefeiert wird, machten kürzlich viele Teilnehmer mit einer lautstarken Percussion deutlich, dass ihre Geduld zu Ende ist. „Seit Urzeiten verausgaben sich Frauen im diakonischen Dienst, setzen sich ein für Kranke, Behinderte, alte Menschen, sind an der Seite der Benachteiligten, stehen den Sterbenden bei“, sagt Claudia Schmidt, Geistliche Beirätin des Katholischen Deutschen Frauenbundes. Jetzt sei es an der Zeit, „dass die Männer guten Willens, vor allem die, die selbst ein Amt haben, Stellung beziehen und ins Handeln kommen“. In einer gemeinsamen Erklärung appellierten Diözesanrat und Frauenbund an die Bischöfe, „sich beim Papst dafür einzusetzen, in den deutschen Diözesen die Einführung des Diakonats der Frau zeitnah zu ermöglichen“.
Hubert Wolf, Kirchenhistoriker in Münster, sagt, es gebe keine Zweifel, dass über Jahrhunderte in der Kirche Diakoninnen in einem vergleichbaren Ritus wie dem für Männer ordiniert wurden: „Diakoninnen gab es in der alten Kirche, in der Ostkirche ohnehin und bei uns in der Westkirche bis ins 12. oder 13. Jahrhundert.“
Dass das Thema bei den Podiumsdiskussionen in Münster keine große Rolle spielt, schiebt ein Sprecher des Katholikentags auf die Verbände. Das Programm bestimme zwar die Leitung, diese sei aber stark davon abhängig, was an Vorschlägen komme. „Das Thema Diakonat der Frau scheint daher in der katholischen Verbandslandschaft nicht mehr umstritten genug zu sein, dass es sich lohnt, auf dem Katholikentag kontrovers diskutiert zu werden.“
Weniger Theologiestudentinnen
Viele Gläubige befürchten, dass das Zögern der Kirchenleitung der Kirche schadet. Nicht nur die Zahl der Priesteramtskandidaten geht zurück. Auch das Interesse von Frauen, Pastoralreferentin, Gemeindeassistentin oder Religionslehrerin zu werden, sinkt. 1996 studierten in Tübingen und Freiburg 372 Frauen Theologie, im vergangenen Jahr waren es 262 Frauen.
Mehr Macht für Frauen in der Kirche fordert auch CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie hätte sich selbst vorstellen können, Priesterin zu werden, sagte sie der „Zeit“: „Aber ich weiß, wie unmöglich das gewesen wäre.“ Es sei ihr „vollkommen klar“, dass die Priesterweihe ein „immenser Bruch“ mit der Tradition wäre, erklärte sie. „Aber die katholische Kirche würde nicht daran zugrunde gehen.“