Das SPD-Parteibuch ist relativ leicht erhältlich – dieser Umstand könnte das Ergebnis der Mitgliederabstimmung beeinflussen. Foto: dpa

Vor dem Mitgliederentscheid über eine Beteiligung an Schwarz-Rot werben vor allem die Jusos um Neueintritte, um Schwarz-Rot zu verhindern. Die Landesverbände melden etwa 1500 Zugänge. Doch was treibt die Jung-Genossen wirklich an?

Stuttgart - Er habe eine Befürchtung, sagte ein Mitglied des baden-württembergisches SPD-Vorstands vor dem vorigen Sonntag: Dass der Parteitag für, der Mitgliederentscheid aber gegen die große Koalition ausgehe. Der Mann ist Groko-Befürworter und kennt die Basis bestens.

Vor allem die Jusos arbeiten mit ihrer #NoGroko-Kampagne darauf hin, dass die Mehrheit der mehr als 440 000 Sozialdemokraten die Regierungsbildung noch torpediert. Sie werden unterstützt von Parteilinken wie Hilde Mattheis, die derzeit zu großer Form auflaufen. Wenn auch nicht exakt erkennbar ist, ob die aktuellen Bewegungen vor allem von den Koalitionsgegnern ausgelöst wurden, so melden die Landesverbände seit Sonntagabend doch bemerkenswert viele neue Mitglieder: Allein in Baden-Württemberg wurden 150 Online-Eintritte gezählt, wie Generalsekretärin Luisa Boos unserer Zeitung sagte – in Nordrhein-Westfalen sogar 500. Bundesweit hat es etwa 1500 Neuzugänge seit dem Parteitag gegeben.

Freude über jedes neue Mitglied

Mobilisieren die Jusos die Falschen? Boos hält die Debatte über deren Kampagne „für total überspitzt“ und sagt: „Man muss da gelassen sein.“ In so einer spannenden Zeit sei es völlig normal, dass mehr Menschen zur SPD fänden. „Wir freuen uns über jedes neues Mitglied, das unsere Werte teilt.“ In die SPD gehe man aus Verbundenheit und um Verantwortung zu tragen. Meistens gebe es einen Anlass dafür – dieser sei jetzt gegeben. Sie glaube nicht, dass da welche nur mit der Intention kämen, Nein zu sagen. „Und wenn doch, so traue ich unseren Ortsvereinen durchaus eine Bewertung zu, wo das der Fall sein sollte.“

Aus strategischen Gründen einzutreten, wäre möglich. „Wir haben auch keine Kontrollen“, sagt die Generalsekretärin. „Aber man kennt ja seine Pappenheimer vor Ort.“ So soll zumindest vermieden werden, dass Rechtsextreme oder Internet-„Trolle“ das Resultat verfälschen.

Binnen eines Monats zum Parteibuch

Zwar ist noch offen, wann die Abstimmung beginnen soll: Erst an diesem Donnerstag will die engere Parteiführung in Berlin einen Zeitplan erörtern. Dann wird ein Stichtag festgelegt, bis zu dem jedes neue Mitglied aufgenommen sein muss, um mitzustimmen. Üblicherweise ist jeder Interessent drin, bei dem der Ortsverein nicht binnen eines Monats Einwände erhebt. Der Ortsverein, so Boos, könne aber noch kurz vor dem Stichtag über Neuaufnahmen befinden.

In Nordrhein-Westfalen haben die Jusos die bundesweite Aktion „Einen Zehner gegen die Groko“ angeregt. Soll bedeuten: zwei Monate reichen zum Mitmischen. Denn fünf Euro kostet die Mitgliedschaft pro Monat bei einem Monatsnettoeinkommen bis 1000 Euro. Jeder besser verdienende Genosse kann seine Beitragsstufe je nach Gehaltsklasse praktisch frei wählen. Bei 4000 Euro Gehalt werden zum Beispiel 100 Euro im Monat angeraten.

Zehn Euro gegen die Groko – keine gute Idee

Juso-Bundeschef Kevin Kühnert hält dagegen: „Wir Jusos werben um langfristiges Engagement, weil die Erneuerung der SPD Zeit brauchen wird und mit der Ablehnung der großen Koalition keineswegs erledigt wäre.“ Auch der NRW-Chef Michael Groschek distanzierte sich. Man dürfe die SPD „nicht mit Faxen entwerten“. Zehn Euro als Investition gegen die Groko – das sei „kein attraktives Angebot für Menschen, die sich mit der SPD nicht verbunden fühlen“, ergänzt Boos.

So klar wie Ende 2013 dürfte es diesmal kaum ausgehen. Damals wurden bei einer Beteiligung von knapp 78 Prozent der Mitglieder fast 76 Prozent der Stimmen für den Koalitionsvertrag gezählt. Boos war damals dagegen – „wegen des Europa-Teils“. Heute ist sie dafür, weil sie auf den Aufbruch für Europa hofft. Dass der Mitgliederentscheid den Graben in der SPD vertiefen könnte, glaubt sie nicht. Ihr Eindruck sei nicht der einer Spaltung. Vielmehr sei der Parteitag ein „Lehrstück für eine gute Debattenkultur“ gewesen.