Junioren-Bundestrainer Martin Heuberger (re.) mit seinem Kapitän, dem Toptalent Renars Uscins, der auch schon in der A-Nationalmannschaft spielte Foto: imago/Marco Wolf

Martin Heuberger gilt als der Talentschmied im deutschen Handball. Vor der Junioren-Heim-WM spricht der 59-Jährige über seine Toptalente, die Nichtnominierung von Fynn Nicolaus vom TVB Stuttgart, und er sagt, warum Dänemark eine Klasse für sich ist.

Die deutschen U-21-Handballer starten mit hohen Erwartungen in die Heim-WM (20. Juni bis 2. Juli). In den Vorrundenspielen in Hannover geht es gegen Libyen (20. Juni, 19.30 Uhr), gegen Tunesien (21. Juni, 18 Uhr) und Algerien (23. Juni, 18 Uhr). Die beiden Hauptrundenspiele finden am 25. und 26. Juni in Magdeburg statt, bevor es ab dem Viertelfinale am 29. Juni in Berlin weitergeht. Eurosport überträgt alle deutschen Spiele und weitere Partien live. Bundestrainer Martin Heuberger schätzt die Lage ein.

Herr Heuberger, der Druck auf Ihnen muss unmenschlich sein.

Warum?

Ein Experte wie Bob Hanning ist sich ganz sicher, dass Ihr Team Gold holen wird.

Er darf seine Meinung und Hoffnung äußern, aber deshalb spüre ich keinen Druck. Für mich sind hohe Erwartungen ohnehin keine Last. Ich habe Spaß an meiner Aufgabe, und ich stelle mich mit der gesamten Mannschaft dieser großen Herausforderung.

Aber eine Heim-WM ist schon etwas ganz Besonderes?

Auf jeden Fall. Das Kribbeln ist spürbar. Maßstabsgerecht verkleinert sehe ich viele Parallelen zur Heim-WM der A-Nationalmannschaft 2007. Das Medieninteresse ist deutlich größer als sonst, die Begeisterung im Team ist riesig. Diese Leidenschaft wollen wir auf die Tribünen übertragen und auf einer Euphoriewelle so lange wie möglich surfen.

Wäre alles andere als Gold eine Enttäuschung?

Nein. Natürlich wollen wir nicht um die goldene Ananas spielen, sondern um die Medaillen. Das ist völlig klar. Doch nur von Gold zu reden wäre überheblich, denn Nationen wie Portugal, Spanien, Ägypten, Dänemark oder Ungarn wollen ebenfalls ganz vorne landen.

Aber einen Ausnahmejahrgang haben Sie schon beisammen?

Dieser Jahrgang 2002/2003 ist wirklich top. Der Teamspirit, die Spielfähigkeit, der Spielwitz – all das ist überragend. Ich musste fünf, sechs Spieler zu Hause lassen, die es eigentlich auch verdient gehabt hätten, dabei zu sein.

„Fynn ist ein feiner Kerl“

Fynn Nicolaus vom TVB Stuttgart zum Beispiel?

Ja, Fynn ist ein super Abwehrspieler und ein feiner Kerl, charakterlich einwandfrei. Aber mit seinem Wunsch, im Verein nicht mehr am Kreis, sondern im Rückraum spielen zu wollen, war es schwierig, ihn zu nominieren.

Warum?

Wir respektieren seine Entscheidung, aber er hat seine Qualitäten im Rückraum eben noch nicht beweisen können. Von daher hätte sein Sinneswandel schon vor zwei Jahren kommen müssen.

In Ihrer Mannschaft steht in Torwart David Späth ein Spieler, in dem Fachleute einen künftigen Weltklasse-Keeper sehen. Schafft er das?

David bringt alle Voraussetzungen mit, das hat er in der Bundesliga und beim Final Four im DHB-Pokal im Dress der Rhein-Neckar Löwen schon bewiesen. Er ist ungemein fleißig, bodenständig, er bringt enorme Emotionalität und eine ausgezeichnete Mentalität mit. Auch seine Kreuzbandverletzung hat er weggesteckt, seine Lehren daraus gezogen, und er kam sogar gestärkt daraus hervor.

In der A-Nationalmannschaft kamen bereits Ihre aktuellen U-21-Spieler Renars Uscins, Justus Fischer (beide TSV Hannover-Burgdorf) und Max Bennecke (VfL Potsdam) zum Einsatz. Hat sich etwas gewandelt im deutschen Handball?

Ich glaube schon, dass mit diesem Jahrgang eine Kehrtwende im deutschen Handball einhergehen kann. Viele Spieler aus unserem Kader hatten schon Bundesligaeinsätze, das war früher nicht der Fall.

Warum ist das in Dänemark schon immer gang und gäbe?

Die dänische Liga ist nicht so stark wie die deutsche. Spieler mit 18 oder 19 Jahren können in Dänemark Woche für Woche Leistungsträger in ihren Teams sein. Bei uns sitzen die meisten nur auf der Bank, zumal ihnen oft auch die vielen ausländischen Spieler die Plätze wegnehmen. Deshalb haben die dänischen Spieler mit 22, 23 Jahren schon viel mehr Erfahrung, viel mehr Reife und kommen dann nach Deutschland, um sich als bereits fertige Spieler noch einmal einen Schritt weiterzuentwickeln.

Werden Spieler aus Ihrem Kader bei der Heim-EM 2024 in der A-Nationalmannschaft vertreten sein?

Ich hoffe es und würde mich extrem freuen. In den vergangenen Jahren haben wir diesen nahtlosen Übergang nie hinbekommen, die erfolgreichen Junioren-Spieler sind meistens erst einmal wieder von der Bildfläche verschwunden.

Ihr Vertrag läuft am 30. September 2023 aus. Machen Sie weiter, oder sehen wir Sie noch als Bundesliga-Trainer?

Man soll niemals Nie sagen. Aber die Arbeit mit den Junioren macht mir sehr viel Spaß. Wir befinden uns in sehr guten Gesprächen, was eine Vertragsverlängerung betrifft.

Gibt es noch vor WM-Beginn Vollzug?

Nichts ist unmöglich (lacht).

Martin Heuberger

Karriere
Martin Heuberger wurde am 5. Juni 1964 in Schutterwald geboren. Für den TuS Schutterwald spielte er in der Bundesliga und absolvierte 26 Länderspiele. Als Trainer arbeitete er für den TuS Schutterwald, als Co-Trainer von Bundestrainer Heiner Brand (auch beim WM-Titelgewinn 2007) und als Chefcoach der Junioren-Nationalmannschaft, mit der er 2006 Europameister sowie 2009 und 2011 Weltmeister wurde.

Persönliches
Heuberger wohnt in Schutterwald. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne (34 und 32). Seine Hobbys sind Biken und Cross-Fit. Er ist Fan des SC Freiburg. (jüf)