Jugendliche benutzen Sprache und auch Beleidigungen anders als Erwachsene. (Symbolbild) Foto: /IMAGO/Ute Grabowsky

Eine Expertin erklärt, inwiefern Erwachsene anders schimpfen als Jugendliche und warum Schimpfen auch gute Aspekte hat und wo die Grenzen dennoch erreicht sind, wenn es hart auf hart kommt.

Jugendliche schimpfen einer Expertin zufolge anders als Erwachsene. „Bei Jugendlichen beobachten wir andere Funktionen verbaler Aggression als bei Erwachsenen, etwa auch zur Provokation“, sagte die Sprachwissenschaftlerin Oksana Havryliv am Montag der „Süddeutschen Zeitung“.

Der Sprachjargon verändere sich ständig

Manche Schimpfformen verschwänden zudem mit dem Erwachsenwerden. In der Schule gebe es etwa noch häufig rituelle Mutterbeleidigungen. „Vor allem ist der Schimpfwortschatz von Jugendlichen sehr dynamisch, er verändert sich also ständig. Erwachsene sind da eher konservativ.“

Die Fachfrau erklärte: „Ich habe Umfragen im Abstand von zehn Jahren gemacht, bei den Erwachsenen sind die drei häufigsten Begriffe gleich: ‚Trottel’, ‚Arschloch’ und ‚Idiot’. Bei den Jugendlichen gibt es die schon auch, aber zusätzlich wurden Wörter genannt, die die Erwachsenen nicht verwenden, und mit jeder Generation kommen neue dazu.“

2008 sei etwa die Abkürzung „WTF“ sehr gebräuchlich gewesen, also „what the fuck“, als Ausdruck des Erstaunens, führte Havryliv aus. „2018/19 tauchte dann plötzlich ‚AMK’ auf, das kommt aus dem Türkischen, für ‚amina koyim’, und bedeutet abgeschwächt so viel wie ‚ich mach dich fertig’. Rasant verbreitet hat es sich vor allem durch den Rapper Gillette Abdi. Anfang 2023 tauchen plötzlich die Namen von Pornodarstellern häufig als Schimpfwörter auf: Johnny Sins und Lana Rhoades.“

Schimpfen habe durchaus etwas Positives, fügt Havryliv hinzu. „An erster Stelle geht es bei verbaler Aggression, also beim Schimpfen, ums Abreagieren. Das ist die kathartische Funktion von aggressiven Sprechakten. Und das ist etwas Gutes: Man befreit sich übers Schimpfen.“

Den geringsten Anteil am Schimpfen machten tatsächliche Beleidigungen aus. „Oft werden Schimpfwörter auch scherzhaft gebraucht. Zum Beispiel, wenn erwachsene Männer sich mit ‚Servus, du Arsch’ anreden. Ich mache immer wieder Projekte an Schulen und höre da oft das Wort ‚behindert’. Und wenn ich die Kinder darauf anspreche, dann sagen sie, dass sie das doch nicht negativ meinen: ‚Das sagt man bei uns halt so.’ Ich mache ihnen dann deutlich, was es wirklich bedeutet, und dass es indirekt eine Beleidigung den Menschen gegenüber ist, die mental oder körperlich eingeschränkt sind.“