Ein Bild aus dem Oktober im vergangenen Jahr: JU-Landesvorsitzender Nikolas Löbel bei einer Rede Foto: dpa

Am Donnerstag regiert Grün-Schwarz in Baden-Württemberg seit einem halben Jahr. Die Junge Union sieht ihre Mutterpartei als Juniorpartner in der Koalition auf einem guten Weg.

Herr Löbel, seit rund sechs Monaten ist die CDU wieder in Regierungsverantwortung im Land. Wie bewerten Sie das bisherige Wirken von Grün-Schwarz?
Die grün-schwarze Koalition funktioniert sehr gut. Die CDU hat sich in der neuen Rolle gut zurechtgefunden. Ganz nach dem Motto „Erst das Land, dann die Partei“ haben wir bewiesen, dass wir auch in einer für die CDU schwierigen Situation bereit sind, Verantwortung für das Land zu übernehmen.
Diesmal allerdings nur als Juniorpartner. Wie viel Schwarz steckt denn Ihrer Meinung nach im Koalitionsvertrag?
Die CDU ist ganz klar erkennbar – zum Beispiel in den Bereichen Sicherheit oder Digitalisierung. Das Entscheidende ist, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarten Punkte auch umgesetzt werden. Denn man wird an dem gemessen, was man liefert – nicht, was man versprochen hat. Wichtig ist für mich für die junge Generation, dass man es mit Blick auf die Schuldenbremse ab 2020 schafft, das strukturelle Defizit im Haushalt auch tatsächlich auszugleichen und dauerhaft ohne neue Schulden auszukommen.
Wo sehen Sie Potenzial?
Für einen strukturell ausgeglichenen Haushalt muss man zum Beispiel an die Personalausgaben ran. Auf jeden Fall dürfen wir im Sinne der Generationen von morgen nicht bei der Investitionskraft nachlassen. Ich habe bei der Haushaltskonsolidierung eine klare Erwartungshaltung an die Landesregierung: Jedes Ministerium wird einen noch wesentlicheren Beitrag als bisher leisten müssen.
Gibt es Anlass zur Sorge, dass die CDU als Juniorpartner ein ähnliches Schicksal erleidet wie die SPD und die Regierungserfolge mit Ministerpräsident Kretschmann und den Grünen heimgehen?
Überhaupt nicht. Ich kann mir schon vorstellen, dieses Bündnis nach der nächsten Landtagswahl fortzusetzen, aber in umgekehrter Konstellation. Im Moment eint die Grünen der Erfolg ihres Ministerpräsidenten. Aber ich bin mir sicher, dass der Spitzenkandidat der Grünen bei der nächsten Landtagswahl nicht erneut Winfried Kretschmann heißt. Und dann werden Risse innerhalb der grünen Landespartei erkennbar. Bis dahin muss die CDU zeigen, dass sie die politische Trieb- und Führungskraft innerhalb dieser Regierung ist und entsprechend selbstbewusst auftritt.
Selbstbewusstes Auftreten allein wird die Menschen kaum überzeugen . . .
Unsere Taktik muss sein: einerseits gute Regierungsarbeit machen, andererseits als CDU unser Profil schärfen. Das muss auch über die Fraktion und die Partei laufen.
Wie genau soll das gelingen?
Wir müssen die Fragen von morgen schon heute beantworten. Wie sieht Baden-Württemberg im Jahr 2030 oder 2040 aus? Wie wirkt sich die Digitalisierung auf den Alltag der Bürger aus? Die Antworten darauf waren zuletzt substanziell nicht vorhanden – deswegen der Vorschlag der Jungen Union einer Parteireform und eines neuen Grundsatzprogramms. Wir müssen Visionen und Leitgedanken erarbeiten, mit denen sich die Menschen identifizieren können.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Die Digitalisierungsoffensive muss möglichst schnell in den Schulen ankommen. Wir müssen uns fragen: Wie sehen dann der Unterricht und die Vermittlung von Bildung aus. Wir müssen insgesamt ein Bild skizzieren, wie wir uns das Land in Zukunft vorstellen, und das Lebensgefühl der Baden-Württemberger treffen.
Wie ist denn deren Lebensgefühl?
Baden-Württemberger sind tolerant, weltoffen, bodenständig und modern, aber auch heimatverbunden. Diesen Spagat zwischen neuen Herausforderungen, Innovationen auf der einen Seite und der Heimatverbundenheit auf der anderen haben wir mit Ministerpräsidenten wie Späth, Teufel und Oettinger immer hinbekommen. Da müssen wir wieder hin.
Diesen Status hat die CDU bei der Landtagswahl im März erst mal verloren. Sind die Gründe dafür aufgearbeitet?
Ja. Wir haben in verschiedenen Gremien der Partei die Wahlniederlage sehr ehrlich analysiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es im Grunde zwei Ursachen gegeben hat: schlechte Rahmenbedingungen durch die Flüchtlingskrise und eigene Fehler.
Zum Beispiel?
Der Schwenk im Land drei Wochen vor der Wahl im Umgang mit der Flüchtlingskrise und dem Kurs der Kanzlerin war völlig unglaubwürdig. Darüber hinaus hatten wir ein zu rundgeschliffenes Wahlprogramm, das perfekt für eine Regierungsbeteiligung sein sollte. So hatten wir am Ende keineThemen mehr, um landespolitisch zu mobilisieren.