Nils Landgren auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2016 Foto: dpa/Markus Scholz

Michael Wollny und Nils Landgren haben beim Jazzfestival Esslingen mal wieder bewiesen, wie stark sie als Duo sind.

Esslingen - Es ist nicht leicht, in Corona-Zeiten die Fahne der Kultur hochzuhalten. „Wir wollten trotzdem ein Zeichen setzen und mit unserem Jazzfestival in Esslingen präsent sein“, sagt der Veranstalter Maximilian Merkle, der sein Konzept im sechsten Jahr in weiten Teilen umbauen musste. Eines war jedoch wie gewohnt: die hohe musikalische Qualität des Programms. Der erste Abend gehörte dem italienischen Pianisten Stefano Bollani, der zweite dem Pianisten Michael Wollny und dem Posaunisten Nils Landgren.

Michael Wollny und Nils Landgren erlebt man in unterschiedlichsten Besetzungen – Duo-Konzerte der beiden sind eher rar. Eigentlich wollte Merkle dieses ungewöhnliche Konzert in der historischen Eisenbahnhalle präsentieren, doch da hat ihm Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht. Schon nach den ersten Klängen war man jedoch geneigt zu vergessen, dass das Konzert im eher nüchternen Ambiente des Neckar Forums stattfinden musste. Denn die Musik dieser Ausnahmejazzer hat etwas sinnlich Verführerisches. Wenn sie gemeinsam auftreten, ist gern vom „Zusammenspiel der Generationen“ die Rede. Doch das ist nebensächlich.

Alle Empfindungen ausgelotet

Mit seinen 42 Jahren ist Michael Wollny nicht mehr bloß „der junge Wilde am Piano“, als der er anfangs gefeiert wurde. Und der Posaunist und Sänger Nils Landgren mag mit seinen 64 Jahren zwar als „Altmeister“ tituliert werden, doch er zählt zu denen, die die Musik jung gehalten hat. Gemeinsam harmonieren beide so prächtig, dass Altersunterschiede keine Rolle spielen. Keiner versucht, dem anderen die Show zu stehlen – gegenseitig bereiten sie einander das Feld, um all ihre Stärken auszuspielen.

Das Repertoire, das Landgren und Wollny ausgewählt hatten, klang stellenweise wie ein Soundtrack des Lebens, der die ganze Bandbreite der Empfindungen auslotet. Songs wie Cat Stevens’ „Moonshadow“ oder Stings „Fragile“ kennt jeder, doch die beiden Musiker präparierten mit Gespür heraus, wie viel mehr in diesen Titeln stecken kann. Nils Landgrens unverwechselbare Stimme mag nicht jedermanns Sache sein, doch sie betont die emotionale Seite der Songs auf eine ganz eigene Weise. Und in seinen Passagen auf der Posaune unterstreicht er vor allem die sinnlichen Momente dieser Musik.

Er verlangt seinem Piano alles ab

Wollny beweist derweil, weshalb er zu den reizvollsten Jazzpianisten der Gegenwart gehört. Seine Technik ist brillant, sein Einfallsreichtum scheint nie zu enden. Und die lyrischen Momente, in denen man in der Musik zu versinken glaubt, beherrscht er ebenso wie die überschäumenden, in denen er seinem Piano alles abverlangt. Und man spürt jede Sekunde, wie sehr Landgren das Zusammenspiel mit Wollny genießt: „Mit ihm fühlt es sich an, als ginge man auf eine Reise, ohne zu wissen, wo es endet. Das ist so, als würde man fliegen.“