Finden viele Reiche vermutlich weniger prickelnd: Die Wirtschaftsweisen schlagen zur finanziellen Bewältigung der Krisen eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes vor. Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Die Ökonomen kritisieren das Krisenmanagement der Regierung – und liefern mit ihrem Vorschlag eines höheren Spitzensteuersatz Zündstoff für die Ampelkoalition.

Es ist ein Vorschlag, der sich für den Zusammenhalt in der Ampelkoalition noch als Dynamit erweisen könnte. Die fünf Wirtschaftsweisen empfehlen der Bundesregierung, befristet einen höheren Spitzensteuersatz oder einen Energie-Soli für Besserverdienende zu verlangen. Dies berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf das Jahresgutachten der Forscher, das am Mittwoch in Berlin vorgestellt wird.

Die Entlastungspakete sollen ausgewogener werden

Den Wissenschaftlern gehe es darum, dass die Entlastungspakete sozial ausgewogener gestaltet werden sollten, hieß es. Dies würde auch dazu beitragen, dass die Hilfen vonseiten des Staates bezahlbarer würden, so die Argumentation. Der Energie-Soli oder die Spitzensteuererhöhung sollten bis Frühjahr 2024 gelten, so die Forderung.

Die bisherigen Maßnahmen – zum Beispiel der Tankrabatt – kämen in hohem Maße auch denen zugute, die über viel Geld verfügten, bemängeln die Wirtschaftsweisen. Sie fordern sogar, dass Finanzminister Christian Lindner (FDP) seine Pläne zum Abbau der kalten Progression verschiebt. Der Begriff beschreibt eine schleichende Steuererhöhung: Eine Gehaltserhöhung wird durch die Inflation aufgefressen und trotzdem muss höhere Einkommensteuer gezahlt werden. Lindner hat durchgesetzt, dass die Koalition hier gegensteuert. Davon profitieren Menschen mit mittleren Einkommen, in der Summe aber besonders jene mit hohen Gehältern.

In der Ampelkoalition gibt es seit Längerem einen handfesten Dissens darüber, wie die Folgen der Energiekrise durch den Krieg in der Ukraine finanziell am besten gestemmt werden können. Bei SPD und Grünen gibt es den Wunsch, Spitzenverdiener stärker zu belasten und die Schuldenbremse noch einmal aufzuheben. Die FDP lehnt beides ab. Sie hatte die Rückkehr zur Schuldenbremse und ein Nein zu jeglichen Steuererhöhungen zur Bedingung für die Koalition gemacht. Das Problem mit der Schuldenbremse umgeht die Ampel bekanntlich mit einem Trick. Sie nimmt Kredite von bis zu 200 Milliarden Euro über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds auf, um die Lasten der Krise zu stemmen. Dieses Geld ist außerhalb des Haushalts – technisch wird die Schuldenbremse dadurch nicht verletzt.

Das Nein zu Steuererhöhungen ist jetzt die letzte Bastion, an der die FDP unbedingt festhalten möchte. Doch das Drängen aus den Reihen der Koalition wird stärker – die SPD sieht sich in ihrer Haltung durch die Wirtschaftsweisen gestärkt. „Ich begrüße es, dass die Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten Forderungen der SPD aufgreifen und vorschlagen, Besserverdienende und Menschen mit sehr hohen Vermögen stärker an der Bewältigung der Krisen zu beteiligen“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken unserer Redaktion. „Wir prüfen derzeit, welche Rolle eine einmalige Vermögensabgabe oder ein sogenannter Transformationssoli, wie ihn auch die Wirtschaftsweisen fordern, haben können“, fügte sie hinzu.

Optimistischer als die Bundesregierung

Zugleich betonte die SPD-Vorsitzende: „Wichtig ist, dass wir auch die Zielgenauigkeit unserer Entlastungsmaßnahmen prüfen, damit sie dort ankommen, wo sie am nötigsten gebraucht werden, wie die Wirtschaftsweisen fordern: bei denen, die ohnehin schon knapp bei Kasse sind.“

Insgesamt schätzen die Wirtschaftsweisen die Konjunkturlage für dieses und das nächste Jahr etwas optimistischer ein als die Bundesregierung, wie der „Spiegel“ berichtete. Für das laufende Jahr rechnet der Sachverständigenrat mit einem Wachstum von 1,7 Prozent. Im nächsten Jahr soll es ein Minus von 0,2 Prozent geben. Die Bundesregierung selbst hat im Oktober eine etwas pessimistischere Prognose veröffentlicht.

„Vorsichtiger Optimismus statt Katastrophismus ist angesagt“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Dieter Janecek, im Gespräch mit unserer Redaktion. Das Investitionsumfeld habe sich für Unternehmen auch durch Instrumente wie Gas- und Strompreisbremse wieder verbessert. Das sähen, so Janecek, auch die Wirtschaftsweisen so.

Kaum recht dürfte den Grünen sein, was die Sachverständigen in Sachen Atomkraftwerke vorschlagen. Generell sehen sie die Zukunft zwar in den erneuerbaren Energien, sie schreiben aber auch: „Eine Laufzeitverlängerung über den 15. April 2023 hinaus würde zu einer Entspannung des Strommarkts beitragen.“ Auch diese Anregung dürfte in der Ampel noch zu Debatten führen, die Sprengkraft entwickeln können.