Protest gegen Burka: „Zu schön für einen Schleier“ steht auf einem Foto, das ein Teilnehmer einer Demonstration in Dresden in die Höhe hält Foto: dpa

Die Debatte um Zuwanderung, Asyl, Integration und den Islam in Deutschland wird schriller. Kleinster gemeinsamer Nenner: Die Ablehnung radikaler islamistischer Tendenzen. Die Grenze zwischen Anti-Islamismus und Rassismus ist manchmal klar erkennbar, oft aber auch nicht – wir zeigen eine Darstellung der Positionen.

Politischer Islam und Salafismus

„Stoppt die Islamisierung Europas!“, lautet der zentrale Slogan der Pegida, der Bewegung „Patriotischer Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Diese Organisation will nach Angaben der Organisatoren der Dresdner Demonstrationen „gewaltfrei und vereint gegen Glaubenskriege auf deutschem Boden“ kämpfen. Pegida ist auch für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten sowie für den Widerstand gegen eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie, aber nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagt dagegen: „Wir haben keine Gefahr der Islamisierung, schon gar nicht in Sachsen und Dresden.“ Die Innenminister von Bund und Ländern wollen über Pegida ebenso wie über die Protestbewegung „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) auf ihrem zweitägigen Treffen heute und am Freitag in Köln sprechen. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte, es bereite ihm große Sorgen, „dass diese Gruppierungen aggressiv Stimmung machen – und das auf dem Rücken von Menschen, die sowieso schon alles verloren haben“.

Die AfD ist „zunehmend besorgt über den Einfluss und die Gewaltbereitschaft der Islamisten in Deutschland“. Es sei „gut und richtig“, dass Bürger ihren „Sorgen über die Ausbreitung von radikalem islamistischem Gedankengut“ in gewaltlosen Demonstrationen Ausdruck verleihen. Landesinnenminister Reinhold Gall (SPD) weist auf 160 Ansprechpartner in Moscheevereinen und islamischen Vereinen hin, die auf Entwicklungen hinweisen könnten. „Da muss man ansetzen.“ „Prävention nicht erst dann, wenn die Menschen auffällig sind, sondern schon, wenn die Tendenz erkennbar ist.“ In Baden-Württemberg gibt es laut Gall rund 550 Salafisten – Tendenz steigend.

Islam

Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner und der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn fordern ein Burka-Verbot. In der Partei ist das umstritten. Spahn: „Burka geht gar nicht.“ Klöckner findet, es sei nicht akzeptabel, dass die Frauenverhüllung von linken Politikern als Ausdruck „kultureller Vielfalt“ verstanden werde.Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) lehnt die Verschleierung zwar ab, möchte das „jetzt“ aber nicht mit einem Gesetz regeln. Zugleich will er das Verbot in Frankreich beobachten.

Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) von Anfang Juli verletzt das in Frankreich geltende Burka-Verbot nicht die Grundrechte. Es sei „legitim“, wenn der Staat mit solchen Maßnahmen die Voraussetzungen für ein Zusammenleben in der Gesellschaft wahren wolle. Das Verbot sei keine Diskriminierung und verstoße auch nicht gegen den Schutz des Privatlebens, befand das Gericht. Klöckner ahnt, was in bestimmten Milieus auf ein Burka-Verbot für Frauen folgen könnte: eine Art Hausarrest.

Die CDU-Vize erklärte: „Dann reden wir über den Tatbestand der Freiheitsberaubung.“ Klöckners Credo ist freilich unmissverständlich: „Frauen müssen sich nicht verstecken.“ Jetzt soll über den Antrag erst einmal im Bundesfachausschuss Innenpolitik sowie in der Kommission zur Bürgergesellschaft beraten werden, die Parteivize Armin Laschet leitet. Der Auftrag: Wiedervorlage.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) sieht in einem Verbot einen Verstoß gegen die Religionsfreiheit. Der FDP-Politiker Serkan Tören hat am 4. Dezember auf einer entsprechenden Plattform im Internet eine Petition für ein Burka-Verbot gestartet : „Mit dieser Petition wollen wir die Forderung nach einem Verbot der Ganzkörperverschleierung von Frauen im öffentlichen Raum unterstützen.“

Bei der „Hogesa“ (Hooligans gegen Salafisten) heißt es plakativ: „Keine Scharia in Europa“. „Islam-Angst wird von den Rechten als Trittbrett missbraucht“, sagt dagegen Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD). Die NPD behauptet: „Das sichtbarste Zeichen der ungebremsten Überfremdung unseres Landes ist die expansive Ausbreitung des Islam.“

Ängste schüren

Deutsche Identität

Die Pegida schürt die Angst vor einem vermeintlichen Verlust der deutschen kulturellen Identität. Eine Rednerin sagte kürzlich bei einer Veranstaltung des Düsseldorfer Ablegers der Bewegung (Dügida): „Heimat, Freiheit und Tradition“ sollten in Deutschland wieder wichtiger genommen werden. Es gehe darum, „die eigene Identität zu verteidigen“.

Die sächsische AfD-Fraktionschefin Frauke Petry fordert: „Mehr deutschsprachige Lieder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“Nach einer Studie des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität identifizieren sich die Menschen in Deutschland in der großen Mehrheit stark mit ihrem Land. Demnach sind auch Einwanderer positiv auf ihre neue Heimat eingestellt. Je stärker jedoch die Identifikation mit Deutschland sei, desto größer sei auch die Ablehnung von Muslimen, heißt es in der Studie.

Unbestritten ist: Jeder braucht und sucht Identität und findet sie in sehr unterschiedlichen Elementen in der Gesellschaft und in der Kultur, in der Religion, in der Sprache, in der Nation. Und auch im Sport.

Zuwanderung und Asyl

FDP und AfD plädieren für das kanadische Modell: Einwandern sollen nur Fachleute aus Bereichen, in denen Arbeitskräfte fehlen. Der Familiennachzug wird eingeschränkt. Das Recht auf Asyl für politisch Verfolgte wird nicht angetastet. Die AfD favorisiert „heimatnahe“ Hilfe für Bürgerkriegsflüchtlinge.

Die CDU/CSU fordert: „Bei Armutszuwanderung zügig handeln.“ Die Hogesa („Hooligans gegen Salafisten“) schürt vor allem Ängste in der bildungsfernen Unterschicht. In einem Lied heißt es wörtlich: „Alt, arm, obdachlos, einfach ausrangiert – doch für Fremde wird frisch renoviert.“

Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut schätzt, dass in Deutschland zwischen 100 000 und 400 000 irreguläre Einwanderer leben – darunter zwischen 1000 und 30 000 schulpflichtige Kinder. Der große Stau von Asylanträgen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verärgert Bayern. Nach den Zahlen von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warten in der Zirndorfer Behörde mittlerweile 163 000 Asylanträge auf Bearbeitung. Asylbewerber aus dem für sicher erklärten Ex-Jugoslawien sollen schnell in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Serbien sei bei den Asylanträgen Nummer zwei hinter Syrien. „Das ist offenkundiger Missbrauch, ein Skandal.“

Integration

Die CSU will Migranten, die dauerhaft in Deutschland leben wollen, motivieren, im täglichen Leben Deutsch zu sprechen. Die Forderung „Nur Deutsch zu Hause“ für Migranten wurde nach heftiger Kritik und Häme entschärft. Der Streit um das Für und Wider von Mehrsprachigkeit ist angeheizt. Der neue Chef der Jungen Union, Paul Ziemak, erntete auf dem JU-Deutschlandtag Applaus für Sätze wie „Wer die Scharia mehr achtet – da hilft kein Integrationskurs, da hilft nur Gefängnis“.

Die Integration der Migranten verläuft in Deutschland nicht zufriedenstellend. Vor allem Probleme aus früheren Jahren seien ungelöst, heißt es in einer neuen Studie des Berlin-Instituts. Die Bildungsdefizite der Gastarbeitergeneration würden oft an die Nachfolgegenerationen weitervererbt. Noch heute liege das Bildungsniveau der türkischstämmigen Bevölkerung unter dem Durchschnitt der deutschen Bevölkerung.

Thilo Sarrazin, Ex-Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank und Autor des umstrittenen Buches „Deutschland schafft sich ab“, gab vor Jahren den Anstoß zu einer großen Identitätsdebatte: „Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert“, sagte er in einem Interview.