Bisher dürfen die ausländischen Mitglieder nicht abstimmen Foto: Avanti/Ralf Poller

Ein Antrag aus dem Internationalen Ausschuss will den ausländischen Mitgliedern in den Stuttgarter Bezirksbeiräten ein Stimmrecht verschaffen. Doch der Vorstoß wird wohl ins Leere laufen.

Filder - Die Frage drängt sich Anastasia Schmid regelmäßig auf: „Wieso sitze ich eigentlich hier und höre mir das alles an?“ So war das zum Beispiel, als die Plieninger Bezirksbeiräte neulich beschlossen haben, dass die Maler die Fassade des Alten Rathauses in Rot statt in Beige anstreichen sollen. Die Griechin Anastasia Schmid, das ausländische Mitglied im Bezirksbeirat, will bei solchen Entscheidungen nicht nur Zuschauer sein, sie will mitbestimmen.

Der Wunsch der Plieningerin hat es jüngst in den Internationalen Ausschuss des Gemeinderats geschafft. Denn Sibel Yüksel, ein Mitglied desselben, sieht es ähnlich wie Anastasia Schmid. Deshalb hat sie einen entsprechenden Antrag formuliert, mit dem sich die Fraktionen im Gemeinderat zu befassen haben. Das Papier fordert Stimmrecht für die ausländischen Mitglieder der Bezirksbeiräte.

Mehr als nur Beiwerk

Sibel Yüksel sieht es nur ähnlich und nicht gleich, weil sie die Ansicht vertritt, „dass man die ausländischen Mitglieder in den Bezirksbeiräten gar nicht mehr braucht“, wie sie sagt. „Das Amt gehört abgeschafft.“ Sie spricht sich dafür aus, dass die Parteien stattdessen vermehrt Menschen mit ausländischen Wurzeln als ordentliche Mitglieder in die Bezirksbeiräte schicken. Weil Sibel Yüksel davon ausgeht, dass ihre Haltung nicht mehrheitsfähig ist, engagiert sie sich nun dafür, dass die ausländischen Mitglieder der Bezirksbeiräte wenigstens mehr als nur Beiwerk werden.

Dass die Forderung aus dem Internationalen Ausschuss Wirklichkeit wird, ist unwahrscheinlich. Dafür müsste die Gemeindeordnung Baden-Württembergs geändert werden. In Paragraf 65 steht, dass der Gemeinderat sachkundige Einwohner in die Bezirksbeiräte berufen kann.

„Eine beratende Mitgliedschaft in den Bezirksbeiräten schließt ein Stimmrecht aus“, sagt Isabel Fezer, die Sozialbürgermeisterin. „Daran soll sich auch nichts ändern.“ Fezer sitzt dem Internationalen Ausschuss als ständige Stellvertreterin des Oberbürgermeisters vor. „Mit dem Stimmrecht werden wir wohl nicht durchkommen“, sagt Sibel Yüksel. Sie hofft, dass die ausländischen Mitglieder der Bezirksbeiräte künftig zumindest Anträge stellen dürfen.

Etwa 50 Prozent haben den deutschen Pass

Gute Chancen hat indes die Forderung, die ausländischen Mitglieder in sachkundige Bürger umzutaufen. „Dies wird im Herbst 2012 mit einer entsprechenden Vorlage erfolgen“, sagt Fezer. Die Bezeichnung gilt als überholt, weil viele der Vertreter gar keine Ausländer mehr sind. „Nach unserer groben Schätzung sind es etwa 50 Prozent“, sagt Fezer. Zu ihnen zählt Hubert Agyemang, der Ex-Ghanaer steht den Sillenbucher Beiräten beratend zur Seite.

Ergun Can wird den Vorstoß mit der Umbenennung unterstützen. „Da besteht Handlungsbedarf“, sagt der SPD-Stadtrat aus Degerloch, der auch im Internationalen Ausschuss sitzt. „Mit dem Stimmrecht tue ich mir aber schwer.“ Wie Sibel Yüksel – die übrigens für die FDP im Bezirksbeirat-West sitzt – wäre er dafür, dass sich die Bürger mit ausländischen Wurzeln vermehrt in Parteien engagieren. Sein Argument: Im Verbund gewönnen Stimmen an Gewicht. „Jetzt stehen die ausländischen Mitglieder meistens alleine da“, sagt Can.

Mehmet Bozdemir will jedoch kein Parteimitglied werden, er sitzt als ausländisches Mitglied im Birkacher Bezirksbeirat. „Es ist effektiver, wenn ich neutral tätig bin“, sagt er. „So habe ich einen besseren Draht zu allen Parteien.“ Bozdemir widerspricht auch Sibel Yüksel. Es brauche Seinesgleichen in den Bezirksbeiräten sehr wohl. „Es hat zwar gedauert, aber mittlerweile werde ich von den Fraktionen gehört“, sagt er. Bekäme er in Zukunft ein Stimmrecht, wäre dies auf jeden Fall in Bozdemirs Sinne.

Das gilt erst recht für Federico Rapino. „Wir haben so sehr darum gekämpft“, sagt der Italiener, der seit nunmehr einem Vierteljahrhundert als ausländisches Mitglied im Degerlocher Bezirksbeirat vertreten ist. Rapino ist sich sicher, dass ihn die Fraktionen in dem lokalpolitischen Gremium ernster nehmen würden, wenn er bei Abstimmungen ebenfalls die Hand heben dürfte. Schließlich müssten die Parteien dann um seine Gunst werben.