Ein guter Job bei „Nix Gut“: Erhan Demirdas ist taub und arbeitet in der Druckwerkstatt des Winnender Unternehmens Foto: Gottfried Stoppel

Vor zehn Jahren machte der „Nix-Gut“-Versand durch den juristischen Streit um T-Shirts mit durchgestrichenen Hakenkreuzen überregionale Schlagzeilen. Mittlerweile hat sich daraus die Firma „Schwabendruck“ entwickelt.

Winnenden - Erhan Demirdas zieht ein T-Shirt auf eine Art Bügelbrett und streicht es glatt. Achtmal wiederholt er den Vorgang, dann gibt es ein zischendes Geräusch, und der schwarze Baumwollstoff verwandelt sich in farbenfrohe Leibchen. Demirdas nimmt weder das Zischen noch andere Geräusche wahr. Zum Reden braucht der 28-Jährige seine Hände. Erhan Demirdas arbeitet bei „Schwabendruck“ in Winnenden. Dass er taub ist, ist für die Firma kein Hindernisgrund – sondern ein Einstellungskriterium.

Menschen mit Einschränkungen gehören zum festen Unternehmenskonzept von Jürgen und Andy Kamm. Ihre Firma ist als gemeinnütziges Integrationsunternehmen anerkannt, weil mindestens 40 Prozent der Mitarbeiter eine Behinderung haben. Das hat zwar Steuervorteile, bedeutet aber auch, dass Betriebsgewinne nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden dürfen. „Was für uns zählt, ist die Schwarze Null“, sagt Andy Kamm.

Als die Brüder vor 19 Jahren ihre Firma „Nix Gut“ gründeten, hatten sie eigentlich nur die Absicht, CDs ihrer Punkband SIK unter die Leute zu bringen. Mittlerweile ist die Band Geschichte, der Versandhandel für Punkerbedarf längst eine einschlägig renommierte Größe – aber nur noch eines von mehreren Standbeinen. Eines, das gerade stabilisiert wird, ist der „Schwabendruck“. Die Tochtergesellschaft veredelt jährlich rund 150 000 Textilien, bedruckt, beflockt oder bestickt Eigenprodukte für den Punkversand genauso wie Firmenbekleidung oder Fußballtrikots. Und genau an dieser Stelle setzt eine neue Geschäftsidee an. An diesem Wochenende eröffnen die Kamms in der Winnender Seehalde ein Ladengeschäft. Das Ziel ist, die Druckwerkstatt bekannter zu machen und in eine Marktlücke zu stoßen.

Seit vergangenem Jahr nämlich gibt es in Winnenden kein Sportgeschäft mehr. Zwar werde man auf absehbare Zeit kein Vollsortiment anbieten können, aber insbesondere Vereinen eine Auswahl an Trikots, Trainingsanzügen und Zubehör offerieren, die in der eigenen Druckwerkstatt individuell gestaltet werden kann. Auch über den Sportbereich hinaus sollen sich Kunden in dem Laden über die Möglichkeiten der Druckwerkstatt beraten lassen können, vor Ort werden personalisierte Geschenkartikel wie Shirts, Tassen oder Handyhüllen gezeigt.

Zudem wagt man in dem Laden noch ein drittes, ganz anderes Experiment: Unter einem Tarnnetzhimmel werden Musik-CDs, Accessoires und Klamotten ausgewählter Bands präsentiert – dies freilich nicht aus dem angestammten Punk-, sondern dem zurzeit boomenden überwiegend deutschsprachigen Hardrockbereich. „Punk“, sagt Andy Kamm grinsend, „hätte hier wahrscheinlich nicht so gut reingepasst.“

Dabei haben die heute 38 und 39 Jahre alten Brüder Kamm die Subkultur in Winnenden zumindest intern längst salonfähig gemacht, was nicht nur das Beispiel Sascha Müller zeigt. Der 34-Jährige, der unter einer unheilbaren Augenkrankheit leidet, die die Sehstärke immer stärker einschränkt, hatte sich auf Geheiß seiner Arbeitsberaterin bei „Nix Gut“ beworben. „Ich hatte schon ziemliche Vorurteile“, räumt der Mann, der sich heute in der Firma um die Reklamationen kümmert, ein. „Punk war für mich gleichbedeutend mit Faulenzen, Saufen und Rauchen.“ Dieses Bild habe sich revidiert. „Die Leute haben eine grundsolide Einstellung – so wie die gesamte Firma“, sagt Müller.

Klingt fast schon spießig. „Spießig würde ich es nicht nennen“, sagt Andy Kamm, „aber auch bei uns gelten Regeln.“ Nach wie vor seien er und sein Bruder bereit, jeder verlorenen Seele eine Chance zu bieten, „aber die Leute müssen sie auch nutzen“. Weil die Firma entgegen anderen Integrationsbetrieben keinen Sozialkonzern wie die Caritas oder die Diakonie im Rücken habe, müsse man eben auch auf die Wirtschaftlichkeit achten. Sehr gerne, sagt Kamm, würde er in dem neuen Laden einen Verkäufer mit Down-Syndrom oder einer vergleichbaren Einschränkung beschäftigen. Doch er verzichtet darauf. „Dafür ist unsere Gesellschaft leider noch nicht bereit.“