Landesregierung plant umfassende Polizeireform: Es soll künftig mehr Streifenfahrten geben.

Stuttgart - Wie viel Polizisten braucht das Land und für welche Aufgaben? Innenminister Reinhold Gall will diese Frage bis Jahresende klären und 2012 dann über eine Strukturreform entscheiden. Die Polizisten in Stadt und Land sollen mitreden.

Es ist noch nicht lange her, da wagte sich die seitherige schwarz-gelbe Landesregierung an eine Polizeireform. Ziel des damaligen Innenministers Heribert Rech (CDU) war es, die Arbeit der Polizisten noch effektiver zu gestalten. Also wurden kleine Polizeiposten, die nachts ohnehin geschlossen waren, endgültig zugemacht und mit größeren zusammengelegt, auf dass auch wirklich rund um die Uhr immer jemand da ist.

So reduzierte das Land die Zahl der Polizeiposten um rund 200 auf 356. Selbst Landespolizeipräsident Wolf Hammann räumt auch jetzt noch ein, dass Baden-Württemberg damit "nach wie vor ein enges Postennetz" hat. Und doch zeichnet sich ab, dass der Reformdruck damit nicht erlahmt ist, sondern die Polizei "ihre Strukturen den veränderten Rahmenbedingungen anpassen muss", wie es Innenminister Reinhold Gall (SPD) am Donnerstag umschrieben hat.

"Mehr Präsenz in der Fläche"

Im Klartext: Die nächste Reform ist nötig. Gall will erreichen, dass die Polizei "mehr Präsenz in der Fläche" zeigt als bisher. Die Reform könnte also dazu führen, dass manche der aktuell 41 Polizeidirektionen im Land künftig verkleinert oder aufgelöst wird, auf dass mehr Polizei in Streifenwagen unterwegs ist. Dennoch betonte der Minister am Donnerstag, er gehe die Reform ergebnisoffen an. "Es gibt keinerlei politische Vorgaben von mir."

Inhaltliche Wünsche hat der Innenminister freilich schon. Nicht nur das Plus bei den Streifenfahrten, er will auch die Informations- und Kommunikationstechnik der Polizei verbessern und neue Freiräume für die Kriminalpolizei schaffen. Eine Projektgruppe mit Vertretern aus allen Bereichen der Polizei soll deshalb bis Jahresende "alle Stärken und Schwächen der Polizeistruktur auf den Prüfstand stellen", betonte Gall.

Immer mehr Gewalt gegen Polizisten

Der Handlungsbedarf zeichnet sich seit Jahren ab. Das beginnt bei der Tatsache, dass durch die "hohe Eventkultur" (Hammann) zwischen Donnerstagabend und Montagmorgen die Polizei immer größere Probleme hat. "Die Besatzung in den Streifenwagen wird älter, die Klientel aber immer jünger", so Hammann. Und immer häufiger sei es notwendig, bei Schlägereien vor Discotheken "nicht nur einen, sondern zwei oder drei Streifenwagen" zu schicken. "Da sehe ich Handlungsbedarf", so der Polizeipräsident, "denn das Gewaltpotenzial wird größer, das macht uns große Sorgen."

Auch an anderen Stellen soll die Reform für Synergien sorgen. Beispiel: die Bekämpfung von Kinderpornografie oder das Internet als Ort von Gewalt. Aus Sicht von Gall ist es nicht nötig, dass sich damit quasi jede Polizeidienststelle befasst: "Da müssen unsere Profis ran." Deshalb gelte es, die Einsatzkräfte zu konzentrieren, um im Gegenzug freiwerdende personelle Kapazitäten anderswo einzusetzen. Gall forderte die Polizisten am Donnerstag nachdrücklich auf, sich an der Ausgestaltung der Reform zu beteiligen. Über die Eckpunkte solle es "eine breite Diskussion" geben, erste Entscheidungen will Gall im Lauf des nächsten Jahres treffen.

Große Pensionierungswelle steht bevor

 Große Pensionierungswelle steht bevor

Aus seiner Sicht ist die Veränderungsbereitschaft der Beamten vorhanden, zumal das Durchschnittsalter bei der Schutzpolizei bei 42 Jahren, bei der Kriminalpolizei sogar bei 50 Jahren liegt und der Polizei ab dem Jahr 2016/2017 eine "große Pensionierungswelle" bevorstehe. "Mit neuen Strukturen ist dann vieles leichter", so Hammann. Innenminister und Landespolizeipräsident ließen deshalb keine Zweifel, dass die Reform kommen wird - notfalls auch gegen Widerstände aus einzelnen Landkreisen, die ihre eigene Polizeidirektion verlieren könnten.

"Ob ich zehn, 15 oder 20 Direktionen für zukunftsweisend halte, darauf lege ich mich heute noch nicht fest", betonte Gall. Er werde es nicht akzeptieren, dass einzelne Landräte, wie bereits geschehen, nach dem Motto verfahren: "Ich bin zwar für Veränderungen, aber bei mir nicht." Auch die politische Färbung führender Polizeikräfte werde keine Rolle bei Entscheidungen spielen: "Unsere Polizei ist weder rot oder grün noch schwarz, sondern blau", meinte Gall in Anspielung auf die Uniformfarbe.

Werben um frisches Geld

Dass die Reform auch finanzielle Gründe hat, liegt auf der Hand. "Die Ressourcen der Polizei sind endlich", räumte Gall ein und verwies auf einen Investitionsstau von 300 Millionen und weitere 170 Millionen Euro, die für den Ausbau des digitalen Polizeifunks notwendig werden. Natürlich werde er in den Haushaltsgesprächen bei Finanzminister Nils Schmid um frisches Geld werben. Aber, so Gall: "Wir halten nicht nur die Hand auf und sagen, dass wir mehr Geld wollen, sondern tun auch etwas dafür."

Die Opposition freilich konnte den Reformplänen am Donnerstag dennoch wenig abgewinnen. CDU-Fraktionschef Peter Hauk und Polizei-Sprecher Thomas Blenke zeigten sich enttäuscht: "Die Ansagen des Innenministers sind zu vage."