Mit Gewinnspiel - Die Digitalisierung verändert unseren Alltag – wie wir einkaufen, arbeiten und uns fortbewegen. Und sie verändert die Unternehmen in unserer Region. Heute: Wie wird die Fabrikarbeit der Zukunft aussehen?

Die vernetzte Zukunft

Noch ist es eine Zukunftsvision: Menschen und Roboter arbeiten Seite an Seite in ein und derselben Fabrik, an ein und demselben Fließband. Sie übergeben sich Bauteile, nehmen sich Lasten ab und kommunizieren über Gesten. Mit dem erhobenen Zeigefinger in der Luft wedeln bedeutet: „Ich mach das schon.“ Nicken heißt: „Übernimm du das.“ Beim Familienunternehmen Stihl aus dem schwäbischen Waiblingen soll so etwas in Zukunft möglich werden. Vor einigen Monaten hat das Unternehmen damit begonnen, in seinem US-Werk die Schutzzäune um die Fertigungsroboter abzubauen. „Sie sind nicht mehr nötig“, sagt Firmensprecher Stefan Caspari. Die neuen Roboter wissen, wo sich die Menschen befinden, und weichen aus. Nachdem die anfangs etwas störrischen deutschen Berufsgenossenschaften ihre Sicherheitsbedenken beiseitegelegt haben, sollen jetzt auch die hiesigen Produktionswerke nach und nach mit neuen „Handreichern“, wie Caspari die eisernen Arbeiter nennt, ausgestattet werden. „Dort, wo es finanziell lohnt und Effizienzen hebt, machen wir das“, sagt Caspari.

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Der innovative Mittelstand

Ähnlich wie der für seine Motorsägen bekannte Mittelständler Stihl aus dem Speckgürtel Stuttgarts arbeiten derzeit eine ganze Reihe von Unternehmen daran, ihre Produktion in Fabriken auf ganz neue Beine zu stellen. Zusammen mit der Karlsruher Universität KIT hat der Automatisierungsspezialist Bär aus Gemmingen eine Art High-Tech-Laufburschen für den Fabrikeinsatz entwickelt. Der Fifi genannte Roboter reagiert auf Gesten und kann – je nach Version – Gewichte bis 300 Kilogramm von einem Ende der Fabrikhalle zum anderen wuchten. Der Augsburger Automatisierungsspezialist Kuka hat für Siemens einen mobilen Roboter entwickelt, der sich mit dem Arbeitnehmer aus Fleisch und Blut fünf Arbeitsschritte teilt. Der Roboter nimmt ein Motorenteil aus einer Fräse und legt es einem Menschen auf den Arbeitsplatz, der die Maße prüft. Und Boschs Automatischer Produktionsassistent – ein Leichtroboter – ist mit einer Sensorhaut ausgestattet, die sogar auf Berührungen eines Menschen regiert.

Die Fabrik ohne Schranken

So unterschiedlich die diversen Robotik-Lösungen im Detail sind, im Kern laufen sie alle darauf hinaus, die Grenzen zwischen menschlichen Arbeitskräften und Robotern im täglichen Fabrikbetrieb einzureißen. Als Sinnbild dafür stehen die Schutzzäune um die Maschinen, die derzeit überall in Deutschland aus den Fabrikhallen verschwinden.

Den Menschen überflüssig machen sollen die sensiblen Maschinen allerdings nicht, wie alle Beteiligten gebetsmühlenhaft versichern. Eher schon ihm „anstrengende, eintönige oder schmutzige Arbeiten“ abnehmen, wie es beispielsweise bei Bosch oder vom Konkurrenten ABB heißt. Beim Autobauer Daimler spricht man von einem „intelligenten Miteinander von Mensch und Technik“ – kurz: Robot Farming –, das die Produktion auf ganz neue Grundlagen stellen soll.

Der unersetzliche Werker

Die Verantwortlichen in den Firmen bemühen sich, die neuen Roboter eher als nützliche Handlanger, denn als alles könnende Überflieger darzustellen, und das kommt nicht von ungefähr. Geschichtlich betrachtet hat die Automatisierung menschlicher Arbeit nämlich fast immer massive Widerstände provoziert – angefangen von der Maschinenstürmerei im England des frühen 19. Jahrhunderts, als Textilarbeiter die Einführung von Webmaschinen mit Gewalt bekämpften, bis hin zur Debatte einer Abgabe auf Maschinen (Maschinensteuer) in den 1980er Jahren. Zuletzt löste der Traum mancher Unternehmer von menschenlosen Fabriken, der unter dem Schlagwort CIM (Computer-integrierte Fertigung) in den 1990er Jahren Furore machte, herbe Proteste von Gewerkschaften aus. Anders heute: Im derzeitigen Trend zur automatisierten Vernetzung industrieller Prozesse, von vielen auch Industrie 4.0 genannt, sehen die Arbeitnehmervertreter eher eine Chance denn ein Risiko. Die „Echtzeit-Vernetzung von Mensch, Maschine und Werkstück“ biete „gigantische Chancen“ für die Arbeitswelt, sagt etwa Roman Zitzelsberger, IG-Metall-Chef in Baden-Württemberg. Ziel sei eine Fabrik, in der Roboter nicht anstelle von, sondern zusammen mit Fachkräften arbeiten. Niemals dürfe der Mensch aber zum „Handlanger der Technologie“ degradiert werden, so Zitzelsberger weiter.

Der riesige Markt

Sicher ist, dass die zunehmende Automatisierung der Fabrikhallen der Welt ein Milliardengeschäft ist. Der Weltmarkt für Industrieroboter beträgt nach aktuellen Schätzungen rund 170 000 Stück jährlich. Die eisernen Helfer stehen hauptsächlich in Fabrikhallen von Industrienationen wie Deutschland, den USA oder Japan.

Aber die Gewichte verschieben sich zusehends in Richtung der Schwellenländer. Sollte China seinen rigiden Industrialisierungskurs beibehalten und in seinen Fabriken auf einen ähnlich hohen Roboter-Anteil kommen wie Deutschland, wären hierfür schätzungsweise fünf bis sechs Millionen zusätzliche Roboter pro Jahr nötig. Allein der Chef des taiwanesischen Apple-Zulieferers Foxconn sieht in den kommenden Jahren für seine Fabriken einen Bedarf von etwa einer Million Industrieroboter.

„Auf diesen Markt schielen nicht nur deutsche Maschinenbauer, sondern auch IT-Riesen wie Google oder Amazon“, sagt Thomas Bauernhansl, Leiter des Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart. Allein Google stecke mit 6 bis 8 Milliarden Dollar (5,4 bis 7,2 Milliarden Euro) pro Jahr ähnlich viel Geld in Forschung und Entwicklung wie die gesamte deutsche Maschinenbaubranche zusammen.

Die gefährlichen Angreifer

Tatsächlich versuchen die IT-Giganten aus den USA seit rund zwei Jahren mit Nachdruck, Fuß im Industriesektor zu fassen. Google hat sich so in der jüngsten Vergangenheit insgesamt acht Roboter-Firmen einverleibt. Unter der Regie eines Ex-Carl-Zeiss-Managers zielt das Unternehmen dabei nicht etwa auf den Markt der Endverbraucher, sondern auf den weitaus größeren Sektor der Industrierobotik. Angeblich arbeitet man bereits an einem Betriebssystem für die Industrieproduktion. Ähnliche Bestrebungen werden auch dem Logistik-Riesen Amazon nachgesagt, der sich ebenfalls Roboter-Know-how gesichert hat.

Nachdem sie den IT-Bereich bereits dominieren, nähmen die US-Firmen nun die Industrie ins Visier und drängen damit in eine deutsche Domäne ein, prophezeit Produktionsexperte Bauernhansl. Die deutsche Industrie müsse sich warm anziehen.