Studenten der Hochschule der Medien haben anlässlich des 60-jährigen Bestehens von Baden-Württemberg ein interaktives Computerspiel entwickelt.
Vaihingen - Tango-Abend in Ulm. Die Wände sind rosa, die Vorhänge plüschig. Tänzer mit durchgedrücktem Rücken gleiten paarweise über das Parkett. Und das recht schnell. „Es ist nicht einfach, Paul und Johanna da hindurch zu lotsen“, sagt Julian Saal. Der Master-Student der Hochschule der Medien sitzt vor dem Computer und spielt. Per Tastenbefehl versucht er, die beiden Spielfiguren, den Bandgründer Paul und die Klavierspielerin Johanna, zwischen den Tanzenden ohne Zusammenstöße hindurch zu lenken. Im dritten Anlauf klappt es. „Vor ein paar Monaten war ich besser“, sagt Julian. Denn noch vor wenigen Monaten hat er „Baden-Württemberg rockt!“ nahezu täglich gespielt. Er ist einer der sechs Entwickler des interaktiven Computerspiels.
Etwas Witziges, Frisches, um die Jugend im Ländle auf das Jubiläum „60 Jahre Baden-Württemberg 2012“ aufmerksam zu machen – das wollten die Koordinatoren aus dem Staatsministerium. Mit Gedenkveranstaltungen und Festschriften würde das schwierig werden – wäre ein interaktives Computerspiel ein Ansatz?
„Was finden Jugendliche gut?“
Das Staatsministerium wandte sich an die Hochschule der Medien in Vaihingen. Denn ein dort produziertes Projekt, ein interaktives Musikvideo, bei dem der Zuschauer selbst den Verlauf der Geschichte bestimmt, hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen. So etwas ähnliches sollte es auch zum Landesjubiläum geben. Bei Uwe Schulz, Professor für Informatik und interaktive Medien, stieß die Anfrage auf offene Ohren. Er hat das Projekt zusammen mit Michael Felten und Robin Schulte betreut. Ohne Mühe gewann er eine Gruppe von sechs Studenten: Philipp Detterer, Hanna Frank, Lisa Kehrer, Julian Saal, Daniel Schinow und Kristina Vohrer haben mit dem Projekt zugleich ihre Bachelorarbeit geschrieben. Allerdings bestanden die Studierenden darauf, nicht die Landesgeschichte als Thema zu nehmen. „Was finden Jugendliche gut? Was machen Jugendliche im Internet?“, benennt Julian Saal die Fragen, die die Projektgruppe ganz schnell zu einem Thema führte: zur Musik.
Die Idee des Spiels: Protagonist Paul aus Stuttgart will zum Landesjubiläum eine Band gründen. Dazu braucht er weitere Musiker. Und die muss der Spieler von „Baden-Württemberg rockt!“ auf einer virtuellen Reise durch das Ländle für Paul erspielen. So wie es Julian Saal mit Klavierspielerin Johanna in Ulm vorgemacht hat. Den Schlagzeuger gibt es in Mannheim, den Gitarristen in Freiburg. „Welche Art Musik wollen Sie?“, fragt Saal. „Rock? Hip Hop oder Schlager?“ Studenten der Pop-Akademie in Mannheim haben für „Baden-Württemberg rockt!“ Texte und Melodien geschrieben und aufgenommen. Saal klickt auf den Schlager-Modus und aus dem Lautsprecher klingt eine süßliche Melodie, eine Frauenstimme singt: „Sag’ mir, wo sonst auf dieser Welt gibt es Maultaschen geschmälzt?“ Mehr als 7000 Kombinationen bietet „Baden-Württemberg rockt!“ dem Spieler, sein persönliches Lied zusammenzustellen. Das kann er online an Freunde verschicken oder auch virtuell an verschiedenen Orten des Landes damit auftreten.
Ein Jahr Arbeit steckt im Projekt
Ein Jahr Arbeit steckt in dem Projekt: knapp 30 Drehtage überall im Land, endlose Tage und Nächte im Produktionsstudio in der Hochschule der Medien. „Wir hatten gedacht, wir seien im Sommer damit durch“, sagt Lisa Kehrer, eine der sechs Studierenden. Ein Irrtum. Tatsächlich wurde es Februar 2012, bis das Computerspiel online ging. Denn zum einen sollte jedes Detail sitzen. Zum anderen sollte jeder im Land spielen können – auch in den Gegenden, in denen das Internet noch langsam ist. „Deswegen mussten wir mehrere Versionen produzieren“, sagt Schulz. 50 000 Euro hat das Gemeinschaftsprodukt der Hochschule und der Pop-Akademie gekostet. Ein Schnäppchen für das Land, denn, so schätzt Schulz: „Ein professioneller Anbieter hätte weit mehr als 300 000 Euro dafür berechnet.“
„Baden-Württemberg rockt!“ist im Internet unter http://bwrockt.hdm-stuttgart.de zu finden.