Circa 130 Hektar Streuobstflächen gibt es in Stuttgart. Rund 60 Hektar sind in städtischem Eigentum, rund 80 Prozent davon sind verpachtet. Foto: Torsten Schöll

Überalterung und mangelnde Pflege machen den Beständen zu schaffen. Ende des Jahres läuft zudem die kommunale Streuobstförderung aus. Was ist zu tun?

Den Bäumen auf den Streuobstwiesen in Stuttgart geht es schlecht. Die Bestände sind stark überaltert und werden zu wenig gepflegt. Hinzu kommt, dass Hitze und Trockenheit auch Apfel- und Birnbäumen inzwischen massiv zusetzen. Was Experten der Stadt zu berichten haben, verheißt nichts Gutes.

 

Ein Blick ins Naturschutzgebiet Weidach- und Zettachwald zeigt, wo die Probleme liegen: Auf der Streuobstwiese stehen viele alte Obstbäume, die ihre besten Tage hinter sich haben. Nicht wenige sind schon längere Zeit nicht mehr fachgerecht beschnitten worden, manche vom Trockenstress gezeichnet, einige abgestorben. Die Lücken in den Baumreihen sind mitunter groß und Neupflanzungen rar gesät.

Jochen Berger, Leiter der städtischen Streuobstfachstelle Foto: Torsten Schöll

„Der Großteil der Bäume ist hier qualitativ am Ende“, sagt Jochen Berger, Leiter der städtischen Streuobstfachstelle. „Die Bestände in Stuttgart sind überaltert und werden zu wenig gepflegt“, präzisiert der Leiter des Umweltamts, Andreas Neft bei einem Rundgang über die Streuobstwiese am Rand von Plieningen.

Wenn es keine engagierten Verwerter wie zum Beispiel am Rohrer Weg in Möhringen gibt, zeige sich fast überall in der Stadt ein ähnliches Bild: „Im Naturschutzgebiet Greutterwald in Weilimdorf haben wir zum Beispiel in den letzten 15 Jahren über 100 Bäume verloren. Und das, obwohl nachgepflanzt wurde“, erzählt Berger. Jetzt soll dort mit dem örtlichen Obst- und Gartenbauverein und den Eigentümern ein Pflegekonzept entwickelt werden.

120 bis 130 Hektar Streuobstflächen gibt es in Stuttgart, davon sind rund 60 Hektar in städtischem Eigentum, davon wiederum rund 80 Prozent verpachtet. Dazu kommen aktuell etwa 1400 Hektar Gartengebiete mit einzelnen Obstbäumen. 2019 hatte das Land für das Stadtgebiet insgesamt rund 67 500 Obstbäume erhoben.

Standen in ländlichen Gebieten Streuobstwiesen zumindest bis zum seit 2020 baden-württembergweit geltenden Erhaltungsgebot vor allem durch Bauprojekte unter Druck, macht in den großen Stuttgarter Beständen, die fast alle in Landschaftsschutz- oder Naturschutzgebieten liegen, in erster Linie der Zustand der einzelnen Bäume Sorgen.

Bedeutungsverlust und gravierender Wissensverlust bei der Pflege

Die Gründe hierfür sind vielfältig, so die Experten: Neben den klimatischen Problemen sind es vor allem die geringe Wirtschaftlichkeit, der Bedeutungsverlust klassischer Streuobstprodukte wie Apfelsaft und Most sowie der gravierende Wissensverlust bei der Pflege. „Die Generation, die sich mit Streuobstbäumen auskennt, stirbt aus“, sagt Jochen Berger.

Dabei sei eines klar: Die Flächen könnten nur durch Nutzung erhalten werden. „Die regionale Wertschöpfung ist für den Erhalt entscheidend“, betont Neft. Ordnungsrechtlich, mit Strafen und Sanktionen, sei der negativen Entwicklung kaum beizukommen. So besteht beispielsweise in den Landschafts- oder Naturschutzgebieten eigentlich eine Pflicht zur Nachpflanzung von Obstbäumen. Doch das sei kaum zu kontrollieren.

Der Naturschützer Wolfgang Feldner, der aus Eigeninitiative auf den Plieninger Streuobstflächen Bäume nachgepflanzt hat, kritisiert, dass zu wenige Bewirtschafter das Förderprojekt der Stadt in Anspruch nehmen. Über die Streuobstförderung innerhalb des städtischen Naturschutzfonds bezuschusst die Stadt zum Beispiel den fachgerechten Baumschnitt oder das Nachpflanzen hochstämmiger Obstbäume.

„Bis vor einiger Zeit fehlte für die Bewirtschafter bei der Stadt aber ein kompetenter Ansprechpartner“, sagt Feldner. Dabei seien sowohl theoretischer als auch praktischer Rat extrem wichtig. Erst mit der Einrichtung der städtischen Streuobstfachstelle 2020 habe sich dies verbessert.

Könnten Streuobstprodukte von der Steuer befreit werden?

Ingo Lau vom Verein Bienenschutz Stuttgart geht über den Erhalt von Streuobstwiesen hinaus und fordert die Pflanzung „neuer Bestände in großen Stil auf Ackerflächen und Wiesen“. Zudem sieht er Potenzial auch auf steuerlicher Ebene: „Wenn es tatsächlich einen politischen Willen geben sollte, könnten Streuobstprodukte von der Steuer befreit werden“, sagt Lau.

Ein großes Ärgernis für die privaten Bewirtschafter von Streuobstwiesen will die Stadt demnächst ausräumen: Da das Verbrennen von Schnittgut verboten ist, muss das in stundenlanger Arbeit anfallende Reisig bislang selbstständig bei den Häckselplätzen entsorgt werden. Übersteigt die Menge zwei Kubikmeter, was schnell passiert, fallen Gebühren an. „Da sind wir dran, ein Lösung zu finden“, sagt Berger.

Die städtische Streuobstförderung sowie die Finanzierung der Streuobstfachstelle läuft Ende des Jahres aus. Bis dahin muss der Gemeinderat entscheiden, ob für den Erhalt der Streuobstwiesen in der Stadt weiter Mittel zur Verfügung stehen sollen.