Baldur Ebertin setzt in seinem Heilzentrum in Bad Wildbad auf Verfahren wie die Reinkarnationstherapie. Foto: Andrea Weller

Nicht selten gerät die Schulmedizin an ihre Grenzen. Manche Patienten suchen dann die Hilfe von Heilern. Deren Methoden beinhalten oft eine völlig andere Weltanschauung.

Nicht selten gerät die Schulmedizin an ihre Grenzen. Manche Patienten suchen dann die Hilfe von Heilern. Deren Methoden beinhalten oft eine völlig andere Weltanschauung.

Bad Wildbad - Baldur Ebertin, dies gleich vorweg, verspricht und vollbringt keine Wunder – es ist daher nicht angebracht, ihn als Wunderheiler zu bezeichnen. Der 80-Jährige betreibt im Luftkurort Bad Wildbad im Schwarzwald aber ein Heilzentrum. Das Haus Waldesruh, ein mehrgeschossiges apricotfarbenes Wohngebäude, in dem er mit seiner Frau lebt und auch seine Praxis hat, liegt am Sommerberg, umgeben von alten Nadelbäumen. Von dort oben hat man einen schönen Blick auf den Ortskern und die Vital-Therme, wo sich die Kurgäste Naturfangobäder, Bindegewebsmassagen und andere Anwendungen mit dem Wildbader Thermalwasser verabreichen lassen. Bis Juni dieses Jahres hatte Ebertin auch noch eine Praxis in Stuttgart-Degerloch, „die habe ich aber aus Altersgründen aufgegeben“.

Ebertin hat einen Doktortitel in Philosophie, er ist Diplompsychologe und ausgebildeter Heilpraktiker. Nach dem Studium hat er eine zweijährige Assistenztätigkeit für Erziehungsberatung und Kinder-Psychotherapie an der Psychosomatischen Beratungsstelle für Kinder der Universitäts-Kinderpoliklinik in München absolviert. Schon früh wandte sich Baldur Ebertin jedoch vom Weg der Schulmedizin ab – „wissen Sie, ich komme aus einer Familie, in der Grenzgebiete schon immer eine Rolle gespielt haben“, erklärt er den Schritt.

Zu diesen Grenzgebieten gehören unter anderem als esoterisch eingestufte Methoden wie die Reinkarnationstherapie, auch Rückführungstherapie genannt. Diese geht davon aus, dass eine Ursache für gegenwärtige gesundheitliche Probleme auch in einem früheren Leben des Betroffenen liegen kann und dass die Beschwerden durch das Erkennen und Verarbeiten dieser unbewussten Altlasten gebessert werden können. Ebertin befragt und begleitet seine Patienten dazu in einer Form von Tiefenentspannung – „ich mache aber keine Hypnose“. Er ist überzeugt: „Ein Teil unserer Träume, Schmerzen, aber auch Sympathien oder Antipathien sind Rückerinnerungen.“ Man mag das für Hokuspokus halten: Das Modell der Wiedergeburt findet sich jedoch auch in verschiedenen Weltreligionen, so etwa bei den Buddhisten und Hinduisten.

Selbstheilungskräfte der Patienten aktivieren

Wichtig ist Ebertin zudem das Thema Versöhnung, auch mit Verstorbenen, die einst zum eigenen Lebenskreis dazugehörten. Hierin sieht er eine weitere Regenerationsmöglichkeit für Körper und Seele. Grundsätzlich geht es ihm darum, so hat er es auf seiner Website formuliert, „den ganzen Menschen mit seiner bisherigen individuellen Vergangenheit und seinem mitmenschlichen Umfeld zu erfassen“. Die Selbstheilungskräfte der Patienten sollen zudem aktiviert werden – etwa mit Bachblüten, homöopathischen oder sogenannten spagyrischen Mitteln. Letzterer ist ein Begriff aus der Alchemie. Der berühmteste und zugleich letzte bekannte europäische Alchemist und Spagyriker war Paracelsus (1493–1541).

Eine Aktivierung sei bei Erkrankungen wie einem Burn-out-Syndrom unerlässlich, sagt Ebertin. Seiner Erfahrung nach seien bei Betroffenen oft „über lange Zeit Leistungen notwendig gewesen, um Liebe und Anerkennung zu bekommen“. Zudem könnten Burn-out-Patienten häufig nicht Nein sagen und seien „jahrelang falsch gelaufen“. Der permanente Leistungsdruck nehme aber in der Arbeitswelt eher zu als ab. Ebertin: „Gerade die leistungsbereiten Menschen aus der Mittel- und Oberschicht werden heutzutage regelrecht verheizt.“

Nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten sind diese – von vielen Heilern angewandten – Vorgehensweisen nicht anerkannt, teilweise sogar umstritten bzw. werden abgelehnt. Auf die Frage, ob ihn das störe, sagt Ebertin: „In jungen Jahren hat mich das berührt, heute ist das nicht mehr so. Denn sehen Sie, es gibt so viele Menschen mit psychosomatischen Schäden, denen die Schulmedizin auch nicht helfen kann.“ Und: „Ich gehöre zu denen, die weiterfragen.“

Dieses Weiterfragen, das bei den Patienten möglicherweise so etwas wie einen positiven Placebo-Effekt in Gang setzt, wird indessen von keiner Krankenkasse bezahlt. 110 Euro kostet die volle Stunde bei Baldur Ebertin, meist seien zwölf bis 15 Sitzungen notwendig. Da kommt was zusammen.

Gernot Meier, Pfarrer und Weltanschauungsbeauftragter der badischen Landeskirche, hält Angebote wie die von Baldur Ebertin zwar für „extrem schwierig“, weil es meist keine empirischen Beweise für deren Wirksamkeit gibt, findet es andererseits aber verständlich, wenn sich Menschen in Grenzsituationen „an jeder Idee festhalten“. Er gibt zu bedenken: „Manchmal ist auch keine Heilung möglich. Dann geht es vielmehr darum, mit dem eigenen Leiden und der Krankheit leben zu lernen.“