Manche Bäume sind an der Bahnstrecke schon gefallen, doch jetzt ist Schluss Foto: dpa-Feature

Das Calwer Landratsamt hat einen Gerichtsbeschluss provoziert, um den Nabu verklagen zu können.

Calw/Weil der Stadt - In genau zwei Jahre will der Calwer Landrat Helmut Riegger mit der neuen Hermann-Hesse-Bahn nach Renningen (Kreis Böblingen) fahren. Auf der Strecke der alten Schwarzwaldbahn zwischen Calw und Weil der Stadt heulen dafür seit Oktober schon die Motorsägen. Damit ist jetzt erst mal Schluss. Denn das Karlsruher Verwaltungsgericht hat einen seltenen sogenannten Hängebeschluss erlassen. Alle „Baumfäll- und Rodungsarbeiten sind einzustellen“, wird darin verfügt. Der Naturschutzbund (Nabu) hatte Mitte November gegen die Rodungen geklagt und einen Eilantrag eingereicht.

„Nachdem wir diesen Eilantrag vom Nabu bekommen haben, haben wir den Kreis Calw gebeten, die Baumfällarbeiten zu unterbrechen, bis ein Urteil über den Eilantrag vorliegt“, sagt Wilfried Holz, der Sprecher des Karlsruher Verwaltungsgerichts. Dann allerdings hätten seine Richterkollegen etwas erlebt, was in dieser Art äußerst selten vorkomme. „Der Landkreis ist unserer Bitte nämlich nicht nachgekommen“, erklärt Wilfried Holz. Deshalb habe das Gericht den Hängebeschluss erlassen müssen, um Calw so an weiteren Baumfällungen zu hindern.

„Das hat allerdings seinen guten Grund“, erklärt Michael Stierle, der Nahverkehr-Abteilungsleiter beim Landkreis Calw. „Wir prüfen nämlich gerade, ob wir den Nabu auf Schadenersatz verklagen können“, erklärt er. Denn das zuständige Karlsruher Regierungspräsidium habe alle Hesse-Bahn-Pläne genehmigt, den eng geknüpften Zeitplan, bis die Hesse-Bahn im Dezember 2018 rollen kann, wolle man jetzt umsetzen. Einen komplett neuen Tunnel müssen die Planer nämlich durch den Hacksberg (zwischen Weil der Stadt und Ostelsheim) bauen, dazu die Infrastruktur für den Dieselbetrieb und neue Bahnsteige an den Haltestellen schaffen.

Provokation des Gerichts

Noch ist dieser Zeitplan durch den vom Nabu erzwungenen Motorsägen-Stopp nicht in Gefahr, glaubt Michael Stierle. „Wir hatten einen Puffer eingeplant – aber der wird jetzt immer kleiner.“ Und deshalb habe man diese Rüge des Verwaltungsgerichts quasi provoziert. „Wenn wir lediglich einer Bitte des Gerichts nachgekommen wären, hätten wir nicht mehr auf Schadenersatz klagen können“, erklärt der Hesse-Bahn-Chefplaner.

Derweil hat das Calwer Landratsamt nicht nur mit dem Eilantrag beim Verwaltungsgericht zu kämpfen. Auch beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim liegen insgesamt vier Klagen in Sachen Hermann-Hesse-Bahn vor, darunter ebenfalls eine des Nabu. Der Grund dafür sind Fledermäuse, die in den beiden schon bestehenden hundert Jahre alten Tunneln der alten Schwarzwaldbahn leben. 1000 Fledermäuse seien es, das hat der Landkreis Calw ermittelt. „Wir möchten trotzdem so wenig Tiere wie möglich im Tunnel haben “, sagt Michael Stierle, vom Landratsamt Calw. Deshalb sei man gerade dabei, einige Ersatz-Winterquartiere zu schaffen, zum Beispiel zwei alte Stollen in Neubulach und Liebelsberg und einen alten Bunker in Bad Teinach.

Auch Fledermäuse bereiten Probleme

Ganz anders sieht das der Nabu. Von mehr als 7000 Fledermäuse spricht der Umweltverband, die hier leben würden – das sei eines der „wichtigsten Fledermaus-Winterquartiere in ganz Baden-Württemberg“, sagt Hans-Peter Kleemann, der stellvertretende Landesvorsitzende. Wenn nun von Dezember 2018 an die Hesse-Züge durch die alten Tunnel rollen, gefährdet das die Tiere. Deshalb hat der Nabu im Oktober Klage gegen die Hesse-Bahn beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim eingereicht. Mit einem Urteil aus Mannheim rechnet der Nabu erst im Frühjahr.

Dass der Kreis Calw dennoch jetzt schon mit den Baumfällungen begonnen habe, findet Hans-Peter Kleemann, „vollkommen inakzeptabel“. Deshalb habe man auch den Eilantrag beim Karlsruher Verwaltungsgericht eingereicht. „Denn zunächst muss das Gericht entscheiden, ob das Projekt kommen kann. Erst dann darf der Landkreis die Motorsägen anwerfen, aber nicht vorher“, schimpft Hans-Peter Kleemann.