Im Gemeinderat wird derzeit über den Haushalt für 2016 diskutiert. Foto: Pascal Thiel

Der Gemeinderat der Stadt Ludwigsburg diskutiert derzeit über den Haushaltsplan für 2016. Angesichts eines voraussichtlichen Defizits von 2,7 Millionen Euro will man eigentlich sparen – dennoch werden zahlreiche kostspielige Vorschläge gemacht.

Ludwigsburg - Die Stadt wird nächstes Jahr Minus machen – zumindest, wenn der Haushaltsplan so bleibt, wie er derzeit angesetzt ist. Zwar wird das Defizit statt der ursprünglich berechneten 3,1 Millionen Euro wegen einiger Änderungen nun voraussichtlich doch nur 2,7 Millionen Euro betragen, doch angestrebt wird eigentlich ein positives Ergebnis. Deshalb kündigten die Gemeinderatsfraktionen in der Aussprache vor zwei Wochen an, gegensteuern zu wollen – vor allem durch Ausgabenkürzungen. Viele der Anträge zum Etat, die in der Sitzung am Dienstag diskutiert wurden, spiegeln dieses Ziel allerdings nicht gerade wider.

Denn zahlreiche Wünsche der Räte würden zu teils enormen Mehrausgaben führen, wenn sie umgesetzt würden. So zum Beispiel die Vorschläge zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs: Sowohl die SPD als auch die Linke beantragten die Einführung eines günstigen Kurzstreckentickets, das in der gesamten Stadt gelten soll und nach Berechnung der Verwaltung 1,4 Millionen Euro kosten würde. Dies wurde vom bürgerlichen Lager jedoch als zu teuer abgelehnt, ebenso wie der Vorstoß der Linken, ein solches Ticket zumindest für Geringverdiener einzuführen.

Diskussion über Nahverkehr wird vertagt

Die Grünen hingegen zeigten sich offen dafür – und regten zudem den Ausbau des Busangebots und schnellere Busverbindungen sowie eine Erhöhung des Budgets für den Radwegebau um 500 000 Euro auf eine Million Euro im Jahr 2016 an. Angesichts der Neustrukturierung, die der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) für 2019 anvisiert, soll das Thema öffentlicher Nahverkehr nun zunächst im kommenden Jahr vertieft diskutiert werden. Erst dann soll über kostspielige neue Angebote entschieden werden.

Auch nicht gerade billig wäre eine Überprüfung der Stadtverwaltung durch eine externe Firma gewesen, die ebenfalls die Grünen beantragten. Zwar sollte diese zum Zweck haben, die Abläufe im Rathaus effizienter zu gestalten und damit langfristig Geld zu sparen, doch zunächst wären die Kosten dafür nach Angaben der Verwaltung in die Millionen gegangen. Angesichts dieser Information zogen die Grünen ihren Antrag zurück und beließen es bei einem Appell an den Gemeinderat, künftig effiziente Aufgabenkritik zu üben.

Die Linken schlugen gleich mehrere kostenintensive Projekte vor, etwa kostenloses Mittagessen in Kitas und Schulen (Kostenpunkt: rund zwei Millionen Euro), mehr bezahlbaren Wohnraum (soll im Verwaltungsausschuss diskutiert werden) oder eine Grundsicherung von Strom für Geringverdiener (abgelehnt). Der Grünen-Antrag, mehr Geld für das Entwicklungsprojekt der Stadt im afrikanischen Kongoussi (Burkina Faso) bereitzustellen, wurde hingegen angenommen: Der Betrag soll um 50 000 Euro aufgestockt werden.

Informationsbroschüre LB-direkt wird eingestellt

Die Einsparvorschläge hatten meist weniger Volumen – ausgenommen der Antrag der Grünen auf globale Minderausgaben in Höhe von drei Millionen Euro etwa durch das Verschieben von Straßenbaumaßnahmen. Dennoch gab es heftige Diskussionen, bevor der Beschluss fiel, die wöchentliche Informationsrunde der Stadt sowie die städtische Informationsbroschüre LB-direkt einzustellen und damit jeweils 25 000 Euro zu sparen (siehe Seite 2).

Für Werbung und Öffentlichkeit soll das Budget zusätzlich um 15 000 Euro auf 180 000 Euro gekürzt werden. Zudem will man 2016 für die Innenausstattung von Kindergärten und Schulen 50 000 Euro weniger ausgeben als geplant. Die Debatte wurde am Mittwochabend fortgesetzt.

Glosse: Verkehrte Welt

Stellen Sie sich vor, Sie lauschen einer politischen Haushaltsdebatte – und nichts ist wie erwartet. Das ist natürlich schwierig, ist klar. Was soll auch groß passieren? Normalerweise wollen die bürgerlichen Parteien mehr Gewerbe, die Grünen mehr Bäume und die Linken mehr Solidarität. Jeder Rat will möglichst viele Wünsche der Bürger umsetzen (öffentlichkeitswirksam), aber die Stadt will lieber sparen (ohne Öffentlichkeit). Oder?

Wagen wir doch einen Blick in die Etatdebatte des Ludwigsburger Gemeinderats. Es geht, grob gesagt, um das Thema Information. Kleiner Tipp am Rande: Das ist eigentlich etwas, was die Räte stets einfordern, das Rathaus aber nicht immer gerne herausgibt. Hier ist es anders: Die Stadt hat Anfang des Jahres begonnen, eine Informationsbroschüre mit Namen LB-direkt herauszubringen. Im Prinzip steht dort drin, was so los ist in der Stadt – also das gleiche, was auch auf der städtischen Homepage und in den Lokalzeitungen zu lesen ist. Aber LB-direkt ist schöner und es steht – anders als in der Presse – genau das drin, was die Stadt will, sagt die Stadt. Außerdem zeige eine repräsentative Umfrage, dass die Leser es toll finden.

Allerdings kostet das Blatt 25 000 Euro im Jahr. – viel zu viel, finden die Räte. „Die Presse in Ludwigsburg berichtet ausreichend“, argumentiert der CDU-Fraktionschef Klaus Herrmann. Man wolle die hart arbeitende Pressestelle mit LB-direkt ja nicht zusätzlich belasten, sagt die SPD-Fraktionsvorsitzende Margit Liepins. Selbst die transparenzverliebten Grünen können getrost auf das Infoblatt verzichten und Johann Heer (FDP) empfindet die örtliche Presse gar als „hervorragende Plattform“ – ein ungewohntes Lob. Jedenfalls muss LB-direkt weg, sagen alle. Auch online? fragt die Stadt. Ja, auch online!

Das mache er nicht mit, kündigt der OB Werner Spec an: „Wir informieren die Bürger weiter“, stellt er kampfeslustig klar. Und muss gleich an die nächste Front. Denn die Räte wollen auch keine Inforunden mehr vor den Sitzungen. Außer ein paar Oberinteressierte halten alle das für Zeitverschwendung. Und was das kostet, all die Fachbereichsleiter 30 Minuten zu beschäftigen! Noch dazu das Sitzungsgeld! Nur der Republikaner Harald Lettrari fragt verwirrt: „Ich verstehe das nicht. Will man hier alle Informationen unterdrücken?“

Und? Haben wir zu viel versprochen?