Bürger demonstrieren dem Gemeinderat im Rathaus ihre eigenen Prioritäten. Und was sagen die Fraktionen zum Haushalt? Klicken Sie sich durch unsere UmfrageFoto: Piechowski

Schlechte Noten hat die Stadtverwaltung von den meisten Fraktionen bekommen.

Stuttgart - Schlechte Noten hat die Stadtverwaltung am Donnerstag von den meisten Fraktionen im Gemeinderat bekommen. Der Entwurf des Stuttgarter Doppelhaushaltsplans 2012/2013 sei unzureichend und werde den Erfordernissen nicht gerecht, monierten sie.

Rund drei Stunden lang haben Sprecher der sechs Gemeinderatsfraktionen und Rep-Einzelstadtrat Rolf Schlierer ihre Vorstellungen für den städtischen Haushalt 2012/2013 dargelegt. Nach dieser Aussprache über den von der Verwaltung vorgelegten Entwurf folgen die eigentlichen Beratungen. Am 16. Dezember sollen sie mit der Verabschiedung des Etats enden.

Was die Redner vortrugen, kann Oberbürgermeister Wolfgang Schuster und Finanzbürgermeister Michael Föll (beide CDU) nicht gefallen haben. Sogar die CDU-Fraktion verpasste der Verwaltungsspitze einen Schuss vor den Bug. "Wer Stuttgart zur kinderfreundlichsten Stadt Deutschlands ausruft, der muss auch seine Überzeugung und sein Herzblut dafür offensiv im schriftlichen Haushaltsansatz darstellen", fand Fraktionschef Alexander Kotz.

Die Sozialdemokraten bemängelten ebenfalls, dass die notwendigen Mittel für den zügigen Ausbau der Kindertagesbetreuung von der Verwaltung nicht von vornherein eingestellt worden seien. Vor dem seit vielen Jahren aufgelaufenen Sanierungsbedarf bei den Schulgebäuden hätten der OB, der Erste Bürgermeister Föll und "die Schulbürgermeisterinnen" (Susanne Eisenmann) die Augen verschlossen. Damit griff die SPD durchweg CDU-Vertreter an. Sie räumten aber auch ein, dass die Fraktionen früher gern nach eigenem Gutdünken Sanierungsprojekte unterstützt hätten und nicht streng nach Prioritäten entschieden. CDU-Stadträtin Iris Ripsam hatte vor einigen Tagen erklärt, dass die frühere CDU-Schulbürgermeisterin Iris Magdowski die Bugwelle nicht erkannt habe. Völlig schuldlos sieht sich die FDP. "Keiner von uns ist für die Zeit vor 2009 verantwortlich", sagte Bernd Klingler - alle heutigen Stadträte der Liberalen kamen später ins Parlament.

Mehr Geld für Schulsanierungen

Der Gemeinderat machte zugleich deutlich, dass er für die Sanierungen einen größeren Kraftakt für notwendig hält als die Verwaltung. Die Stadt müsse "zukunftsfähig gemacht werden", sagte Silvia Fischer (Grüne). Dass die früher beschlossenen Sanierungsmittel von rund 50 Millionen Euro für den Zweijahreszeitraum um 110 Millionen Euro aufgestockt werden sollte, ist Konsens im Rathaus. Das hatte die Verwaltung auch in den Entwurf geschrieben und noch ein Sonderpaket von Investitionen empfohlen, das für den Schulbereich etwa 114 Millionen Euro bringen würde. Doch ein gemeinsamer Leitantrag von Grünen, CDU und SPD zielt auf noch höhere Zusatzinvestitionen. Das Sonderpaket sei damit überholt, weiß inzwischen auch die Verwaltung. Ob das Geld binnen 730 Tagen überhaupt in sanierte Gebäude gewandelt werden kann, interessiert die Freien Wähler. Die Arbeiten zu strecken "könnte richtig sein", sagte Christoph Gulde.

Die Dimension der Ausgaben für Schulen und Kindergärten machte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz klar. Den gemeinsamen Antrag mit Grünen und SPD eingerechnet will die CDU insgesamt knapp 400 Millionen Euro. Das würde einer Investition von mehr als 700 Euro pro Einwohner entsprechen. Zu viel, meint die Verwaltung. Sie will bis 2020 strecken. Mit heftiger Gegenwehr der Verwaltung ist bei den folgenden, zunächst noch nichtöffentlichen Haushaltsberatungen nicht nur aus diesem Grund zu rechnen. Dass in den Etat-Entwurf zunächst sparsam Projekte und frühere Zielbeschlüsse des Gemeinderats aufgenommen wurden, sei bei den Etatberatungen 2009 vom Rat ausdrücklich gewünscht worden, hält die Verwaltung sich zugute.

Die Stadträte, besonders auch die von der CDU, die den kürzesten Draht zu Verwaltungsspitze hat, fühlen sich missverstanden. Der Kämmerer habe sogar unabweisbare Ausgaben nicht berücksichtigt. Just am Mittwochabend hatte die CDU einen Antrag in Sachen Bibliothek21 gestellt, der ihrer Meinung nach die Versäumnisse erhärtet. Es soll erreicht werden, dass der neuen Bücherei von 2012 bis 2016 je 250.000 Euro erhält, um weitere Medien anzuschaffen. Darauf beruhe auch die Raumplanung, sagte CDU-Stadtrat Jürgen Sauer auf Anfrage. Wenn der Bestand nicht wachse, würden zwei Etagen leerstehen - und die Republik lache dann über Stuttgart. Die Kulturverwaltung habe auf das Geld gedrängt, die Finanzierer hätten es nicht aufgenommen. Diese Haltung sei unangemessen. Besonders beim OB, der sich lange für die Bibliothek eingesetzt habe.

Für die Verwaltung war es also ein Tag, an dem es Kritik hagelte. Die Fraktionen kamen freilich auch nicht ganz ungeschoren davon. Von der vollbesetzten Tribüne kamen Missfallensbekundungen vor allem für jene, die das Bahnprojekt Stuttgart21 unterstützen. Die Meinung der SPD-Fraktionschefin Roswitha Blind, dass eine Stadt nur zukunftsfähig sei, wenn sie von den Bürgern geliebt wird und dass dazu auch "Bäume und Parks gehören", wirkte wie ein Signal zum Protest für die S-21-Gegner. Doch auch mehr Erzieher/innen und Lehrer (für die das Land zuständig ist), mehr öffentlicher Nahverkehr und kostenloses Mittagessen für alle betreuten Kinder wurden auf der Tribüne und vor dem Saal gefordert. CDU-Fraktionschef Alexander Kotz erntete Lacher für seine Ansage, dass die CDU im Rathaus eine bürgernahe Politik verfolge - und dass die Grünen und die SPD dem offensiven Kurs der CDU für bessere Bildung und Betreuung gefolgt seien.