Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer. Foto: dpa

CDU und FDP haben die Haushaltsberatungen für Abrechnung mit grün-roter Bildungspolitik genutzt.

Stuttgart - Eine Schulstunde kann ganz schön lang werden: Über 45 Minuten hinweg versuchte Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) am Freitag, die Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer zu gewinnen. Vergeblich. Einige bedachten ihre Rede zwar ab und zu mit Beifall, viel häufiger jedoch wurde sie durch Johlen und Pöbeleien unterbrochen.

Ihren Auftritt hatte die SPD-Politikerin allerdings nicht in einer Schulklasse, sondern im Landtag. Dort stand am Freitag im Zug der Finanzberatungen für das Jahr 2012 der Haushalt des Kultusministeriums auf der Tagesordnung. Er umfasst 9,2 Milliarden, 300 Millionen Euro mehr als 2011.

Neue Gemeinschaftsschulen privilegiert

Kaum ein gutes Haar an der Bildungspolitik der grün-roten Landesregierung ließ Georg Wacker, früher Staatssekretär im Kultusministerium und jetzt bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. „Sie belasten bestehende weiterführende Schularten durch den Ausbau Ihrer ideologisch motivierten Projekte.“

Die neuen Gemeinschaftsschulen würden privilegiert, etwa durch Klassen mit höchstens 28 Schülern, während die an den anderen weiterführenden Schulen nicht – wie 2011 beschlossen – weiter verkleinert würden. Er kritisierte zudem, dass das Vorschulprogramm Singen-Bewegen-Sprechen aufgegeben wird. Mitunter klang es, als habe Wacker eine Rede der früheren Opposition aus der Schublade gezogen. Etwa, wenn er forderte, die Referendare, die im Sommer Examen machen, einzustellen, damit sie nicht in andere Bundesländer abwandern. Das hatten SPD und Grüne jahrelang erfolglos verlangt.

Grün-Rot will „Projektitis“ beenden

Tatsächlich werden neue Lehrer eingestellt. Schwierig wird es aber für junge Gymnasiallehrer, weil es nach den Sommerferien an 360 von 380 Gymnasien nur noch acht statt neun Jahrgänge geben wird und damit die Schülerzahlen drastisch sinken. Deshalb werden dort nur wenige freiwerdende Stellen wiederbesetzt. Statt Geld in die neue Gemeinschaftsschulen zu investieren, solle die Landesregierung mit den Einsparungen beim Gymnasium die Bugwelle von Lehrerüberstunden abbauen, weitere Klassen an beruflichen Gymnasien einrichten und die Privatschulen besser fördern, forderte Timm Kern, bildungspolitischer Sprecher der FDP.

Grün-Rot beende die „Projektitis“ der früheren CDU-FDP-Koalition, konterte Sandra Boser von den Grünen. Singen – Bewegen – Sprechen sei kein Programm zur musikalischen Früherziehung, sondern zur Sprachförderung. Diese würde künftig nicht mehr nur an ausgewählten Einrichtungen, sondern flächendeckend angeboten. In die Frühförderung investiere das Land jetzt 450 Millionen Euro, bisher seien es 129 Millionen gewesen. Die Finanzierung der Sprach– förderung hatte die frühere Landesregierung jahrelang der Landesstiftung überlassen, die einzelne Projekte genehmigte.

Kosten nicht berücksichtigt

„Wir wollen die Bildungslandschaft nicht umpflügen, aber wir wollen neue Akzente setzen“, sagte des SPD-Bildungsexperte Christoph Bayer. Nötig seien Änderungen bei „Schulkultur und Schulstruktur“, um das Bildungssytem leistungsfähiger und gerechter zu machen. Im übrigen mache die neue Landesregierung einige Kürzungen von Schwarz-Gelb rückgängig. So erhielten etwa die Gymnasien wieder mehr Lehrerstunden.

Warminski-Leitheußer warf CDU und FDP vor, sie hätten große Projekte geplant, die Kosten dafür aber bei der mittelfristigen Finanzplanung nicht berücksichtigt. „Die Senkung des Klassenteilers ist eine sinnvolle pädagogische Maßnahme, aber die teuerste, die Sie vornehmen können“. Für kleinere Klassen und andere Vorhaben der Bildungsoffensive fehlten 226 Millionen Euro. Deshalb seien neue Prioritäten nötig. Die 3300 rechnerisch freiwerdenden Stellen blieben dem Bildungssystem erhalten, davon je 200 für die Krankenvertretung und die Realschulen, weitere für die beruflichen Schulen.

Einen Teil der Kommentare aus der Opposition hätte Warminski-Leitheußer sich erspart, wenn sie sich kürzer gefasst und sich weitgehend auf Konkretes beschränkt hätte. Bei einem Unterrichtsbesuch würden ihr die Prüfer vermutlich raten, auf Floskeln wie „es ist unbestritten“, „da sind wir uns einig“, „das ist doch klar“ zu verzichten und sich von den Zwischenrufern nicht aus dem Konzept bringen zu lassen.