„Rechtfertigung“: Der katholische Tübinger Theologe Hans Küng mit dem ersten Buch seiner 24 Bände umfassenden Gesamtausgabe beim Pressegespräch in Tübingen. Foto: Daniel Naupold/dpa

Am 19. März wird der bekannte Tübinger Theologe Hans Küng 87 Jahre alt. Kurz vor seinem Geburtstag stellt er in Tübingen das erste Buch seiner auf 24 Bände angelegten sämtlichen Werke vor.

Tübingen - Der Freiburger Herder-Verlag steht vor einer publizistischen Mammutaufgabe: Die Verlagsgruppe, die mit einer über 200-jährigen Tradition zu den ältesten in Deutschland gehört, will in den nächsten Jahren eine wissenschaftliche Gesamtausgabe sämtlicher Werke von Hans Küng herausgeben. Am 17. März, zwei Tage vor seinem 87. Geburtstag, hat der katholische Theologe den ersten der auf 24 Bände angelegten Reihe mit dem Titel „Rechtfertigung“ in seiner Heimatstadt Tübingen vorgestellt.

Küng und die Stiftung Weltethos

Herausgeber der Gesamtausgabe, von der pro Jahr vier Bücher erscheinen sollen, ist der Geschäftsführer der Tübinger „Stiftung Weltethos“, Stephan Schlensog, Die „Stiftung Weltethos“ wurde 1995 von Hans Küng gegründet, er leitete sie als Präsident bis 2013. Der Präsident des Staatsgerichtshofs des Landes Baden-Württemberg, Eberhard Stilz, trat im März 2013 die Nachfolge Küngs an.

„Uns geht es darum, die volle Breite des theologischen Denkens von Hans Küng für die Zukunft zu sichern“, sagte Verleger Manuel Herder, der das Familienunternehmen seit 1999 in sechster Generation führt, über das ambitionierte Projekt. Der Verlag editiert bereits die gesammelten Schriften des Freiburger Religionsphilosophen Bernhard Welte, der Theologen Karl Rahner, Walter Kasper, Raymund Schwager und Joseph Ratzinger. Küngs Œuvre vervollständigt die illustre Liste der katholischen Elite-Denker. Im Herbst soll zudem der erste Band der Gesamtausgabe des katholischen Theologen Johann Baptist Metz erscheinen, der wie Küng im Jahr 1928 geboren wurde und als Begründer der „Politischen Theologie“ gilt.

Weggefährten und Antipoden: Hans Küng und Josef Ratzinger

Der am 19. März 1928 in Sursee im schweizerischen Kanton Luzern geborene Küng ist einer der bekanntesten und streitbarsten Theologen der Gegenwart. Anders als sein ehemaliger Tübinger Professorenkollege Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., machte er keine Kirchenkarriere, sondern geriet immer wieder in Konflikt mit Päpsten wie Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. sowie der vatikanischen Kurie. Zuletzt löste er im Herbst 2014 mit seinen Überlegungen zur aktiven Sterbehilfe eine heftige öffentliche Debatte aus.

„Posthum soll man sagen: Hans Küng war auf dem richtigen Weg“, sagte der bald 87-Jährige. Zur Gesamtausgabe meinte Küng: „Eine bessere Rehabilitation kann es nicht geben.“ Er wolle noch ein Buch über seine Zeit mit sieben Päpsten schreiben. Es wäre sein letztes Buch, das als letzter Band der Gesammelten Werke erscheinen soll. „Alles, was ich geschrieben habe und noch schreiben werde, ist eine Ermutigung für Papst Franziskus.“ Nichts in seinem Werk sei überholt. „Vieles ist noch immer brandaktuell und hat bis heute eine Aktualität und Sprengkraft.“

Küngs erstes Buch von 1957 ist im März als erster Band erschienen

Der erste Band der Gesamtausgabe mit dem Titel „Rechtfertigung“, der im März 2015 erschienen ist, enthält Küngs erste im Jahr 1957 veröffentlichte Schrift, seine Doktorarbeit an der Pariser Universität Sorbonne über den evangelisch-reformierten Theologen Karl Barth (1986-1968) – wie Küng Schweizer – und die jahrhundertelange katholisch-protestantische Kontroverse um die sogenannte Rechtfertigungslehre, einem zentralen Thema sämtlicher christlichen Kirchen. Der zweite Band mit Monografien zur Kirche und Ökumene aus den frühen 1960er Jahren wird im April 2015 bei Herder erscheinen.

„Ich habe keine Angst vor dem Tod und Sterben“, sagte der Theologe, der an einer unheilbaren Augenkrankheit sowie an Parkinson leidet und zudem Probleme mit dem Herzen hat. „Ich hoffe auf einen schönen Tod, aber das kann ich mir nicht auswählen. Ich möchte nicht, dass ich dahinsieche. Ich möchte den richtigen Zeitpunkt, um abzutreten nicht verpassen. Aber ich bin vorbereitet.“ Küng, der eine aktive Sterbehilfe befürwortet und eine Selbsttötung für christlich vertretbar hält, hatte im September 2014 ein viel beachtetes und diskutiertes Buch mit dem Titel „Glücklich sterben?“ veröffentlicht, in dem er ankündigte, dass er im Falle einer Demenz-Erkrankung selbst aus dem Leben scheiden wolle.