Kurioses Mahnschreiben: „Frau Bonhoeffer Dietrich“, also das Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium, soll wegen Schwarzfahrens zahlen Foto: StN

Stuttgart rangiert auf der Rangliste der meisten Schwarzfahrer unter deutschen Großstädten auf Rang 9 – relativ weit vorne. Manche Schwarzfahrer bleiben im Dunkeln, manche werden unschuldig bezichtigt – wie ein kurioser Fall um das Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Filderstadt zeigt.

Stuttgart/Filderstadt - Die Mahnung der Bahn lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Bis zum 8. Dezember sind 40 Euro Fahrpreisnacherhebung plus fünf Euro Mahnkosten zu überweisen. Schließlich habe die „sehr geehrte Frau Dietrich“ keinen gültigen Fahrausweis vorzeigen können und es bisher versäumt, den noch zu zahlenden Betrag vollständig zu begleichen. Die Zeit läuft: „Bei Versäumen der Frist“, heißt es im Schreiben der DB-Fahrpreisnacherhebungsstelle, „wird der Vorgang ohne erneute Mahnung einem Inkassounternehmen zur Beitreibung der Forderung übergeben.“

Vielleicht aber würden die Herren vom Inkasso ebenso staunen wie die Empfänger des Schreibens. Denn „Bonhoeffer Dietrich“ ist gar keine Frau. Und weder sie noch Dietrich Bonhoeffer wohnen in der Seestraße in Filderstadt. Dietrich Bonhoeffer war Theologe und Widerstandskämpfer während des Naziregimes und ist Namensgeber eines Gymnasiums, das unter dieser Adresse sein Domizil hat.

Weiß der Himmel, wie es der unbekannte Fahrgast geschafft hat, bei der Personalienfeststellung die Schule in die Bahn zu setzen. Die Verwaltung des Gymnasiums versucht derzeit, per Telefon und Fax ihre Unschuld zu beweisen. „Der Fall wird geprüft“, sagt ein Bahnsprecher.

Ein ungewöhnlicher Fall, wie Schwarzfahrer durch die Maschen der Kontrolleure schlüpfen. Normalerweise müssen Fahrgäste ihren Personalausweis oder andere Dokumente vorweisen – haben sie gar nichts dabei, wird die Polizei herbeigerufen.

In Zeiten jährlich steigender Fahrpreise bleibt das Schwarzfahren in Stuttgart ein Thema. Etwa drei Prozent sind ohne Ticket unterwegs, so eine Schätzung der Verkehrsbetriebe Deutsche Bahn und Stuttgarter Straßenbahnen (SSB). „Und das ist über die Jahre stabil“, sagt SSB-Sprecherin Susanne Schupp. Der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) schätzt den jährlichen Schaden im Verbundgebiet auf etwa 14 Millionen Euro.

Bei gemeinsamen Schwerpunktkontrollen von SSB und Polizei zeigt sich aber, dass bei den Schwarzfahrern die Dunkelziffer erheblich höher ist. Von über 8000 Fahrgästen, die Mitte November an den SSB-Haltestellen Neckartor und Stadtbibliothek in der Stuttgarter Innenstadt überprüft wurden, waren knapp 500 ohne gültiges Ticket unterwegs. Damit waren sechs von hundert als Schwarzfahrer erwischt worden – der statistische Schnitt liegt bei drei von hundert.

Mit diesem Wert rangiert Stuttgart bundesweit an neunter Stelle von 25 Großstädten – und damit ziemlich weit vorne. Zu den Schwarzfahrer-Hochburgen zählen indes Duisburg, Bonn, Berlin und Bielefeld.

Gleichzeitig scheint aber die Neigung abzunehmen, bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Zumindest ist das Delikt Leistungserschleichung seit fünf Jahren stetig rückläufig. 8600 Fälle waren im Jahr 2009 der traurige Höhepunkt, im vergangenen Jahr waren es 6900.

Freilich ist es nicht immer Vorsatz, der einen zum Schwarzfahrer macht – häufig ist es auch schlicht Vergesslichkeit. In diesem Fall kann man seine Monatskarte auch nachträglich vorlegen. Dann sind keine 40 Euro fällig, sondern nur eine Bearbeitungsgebühr. Die ist übrigens binnen 14 Tagen zu begleichen. Und wenn der Fahrkartenautomat nicht funktioniert hat, sollte man sich die Nummer des Geräts merken. Auch die kann einem letztlich die Bestrafung ersparen.

Womöglich sinken die Schwarzfahrer-Zahlen im nächsten Jahr deutlich. Denn dann wird es noch teurer. Im Bundesrat haben die Länder in der vergangenen Woche einmütig beschlossen, das Bußgeld von 40 auf 60 Euro heraufzusetzen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat bereits Zustimmung signalisiert.

Doch egal, ob 40 oder 60 Euro: Bei Dietrich Bonhoeffer in Filderstadt wird die Strafgebühr nicht einzutreiben sein.