Stuttgart-21-Gegner protestieren in Berlin. Foto: dpa

Wird Stuttgart 21 immer mehr zum Milliardengrab oder haben die Planer die Kosten des Bahnprojekts inzwischen im Griff? Ein Gutachten sagt: Ja, einigermaßen. Aber nicht alle glauben das auch. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Berlin - Ein Gutachten sollte klären, ob das Bahnprojekt Stuttgart 21 aus dem Ruder läuft oder nicht. Dem Aufsichtsrat der Deutschen Bahn war die Sache im Frühjahr zu heiß geworden. Die Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass auch im ungünstigsten Fall der Kostenrahmen wohl nur leicht überschritten wird. Aber der Zeitplan könnte noch erheblich ins Wanken geraten.

Was könnte den Ingenieuren des Projekts noch in die Quere kommen?
Risiken sehen die Gutachter vor allem beim Tunnelbau. Zum Problem für die Stabilität der Bauwerke könnte dabei das Mineral Anhydrit werden. Es kommt in dem Boden vor, durch das die Tunnel in der Region Stuttgart gegraben werden. Kommt Anhydrit mit Wasser in Berührung, quillt es auf. Die Bahn hat wegen neuer Erkenntnisse zur Wirkung von Anhydrit ihre Tunnelbauweise bereits verändert.
Was ergibt sich daraus für die Gutachter?
Die Experten werfen der Bahn nach Informationen aus dem Umfeld des Aufsichtsrats vor, die Risiken beim Tunnelbau unterschätzt zu haben. So sei in einem Tunnel, der in der Bauphase eigentlich trocken sein sollte, Feuchtigkeit festgestellt worden. Unterm Strich erwarten die Sachverständigen die Eröffnung des Tiefbahnhofs frühestens im Dezember 2022, möglicherweise aber auch erst im Dezember 2024.
Welche Konsequenzen zieht die Bahn?
Erst einmal keine. Denn sie gibt sich nach wie vor überzeugt davon, es bis Ende 2021 schaffen zu können. Dazu will sie Verzögerungen beim Bau wieder aufholen. Die Gutachter halten es für realistisch, bei einer Restbauzeit von fünf Jahren 12 Monate Zeit einzusparen, aber nicht 24 Monate, wie es nötig wäre. Im Umkehrschluss gehen sie deshalb davon aus, dass das Projekt mindestens ein Jahr mehr Zeit braucht.
Und wie sieht es mit den Kosten aus?
Folgt man den Gutachtern von Basler und KPMG, so liegt die Bandbreite der Gesamtkosten bei 6,3 bis 6,7 Milliarden Euro. Demnach sind die rund 6,5 Milliarden Euro, für die es einen Finanzierungsrahmen gibt, wohl noch gerade so einzuhalten. Seit Wochen kursiert aber auch die Summe von bis zu 9 Milliarden Euro aus einem nicht veröffentlichten Bericht des Bundesrechnungshofs. Der Bahn-Vorstand soll das nun prüfen und dem Aufsichtsrat in der nächsten Sitzung die Diskrepanz erklären. Möglicherweise sind im Rechnungshofpapier Kosten für Nebenprojekte und Finanzierung enthalten, die Basler und KPMG in ihrer Kalkulation nicht berücksichtigt haben.
Was sagen die Projektkritiker zu der Expertise?
Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hält sie für ein Gefälligkeitsgutachten. Es zeige zwar Termin- und Kostenrisiken auf, empfehle aber nicht, das Vorhaben aufzugeben. Das aber wäre der einzig richtige Schritt, argumentieren die Gegner. Längst sei klar, dass das Vorhaben unwirtschaftlich sei. Ein Gutachten des Münchner Verkehrsplanungsbüros Vieregg-Rössler belege zudem, dass ein Ausstieg bezahlbar sei und Milliarden für andere, wichtigere Schienenprojekte freimachen würde. Die Bahn hält entgegen, dass bereits 1,8 Milliarden Euro für das Projekt ausgegeben wurden.