In den Grundschulen gibt es teils nur schriftliche Beurteilungen – was sagen sie aus? Foto: picture alliance / dpa/Felix Kästle

„Stets“, „fast sicher“, „in der Regel“ – eine Expertin erklärt, was Eltern aus schriftlichen Beurteilungen in der Grundschule herauslesen können.

Constanze Trabant ist ein großer Fan von schriftlichen Beurteilungen in den Schulen. Als ehemalige Grundschullehrerin weiß sie: „Damit kann man den Lernstand eines Kindes genauer und detailreicher beschreiben als nur mit einer Note.“ Sie seien ein Wegweiser, wo das Kind stehe und wo es noch hinsollte.

In Baden-Württemberg bekommen Kinder in der ersten und zweiten Klasse ausschließlich schriftliche Beurteilungen. Im Endjahreszeugnis der zweiten Klasse stehen dann erstmals zwei Noten in Deutsch und Mathematik. Aktuell läuft außerdem an 35 Grundschulen im Land der Schulversuch „Grundschule ohne Noten“.

Zeugnisse sind Wegweiser

Eltern sollten laut Constanze Trabant wissen, dass die Einschätzungen in Worten „generell positiv formuliert“ sind. Der Schwerpunkt liege darauf, was ein Kind schon alles könne – und weniger, was es nicht kann. Allerdings: Auch wenn sich das Zeugnis gut anhört, muss das nicht heißen, dass alles optimal läuft in der Schule. Denn die schriftliche Beurteilung soll laut Trabant Hinweise geben, woran die Schülerin oder der Schüler noch arbeiten muss, in welchen Bereichen sie oder er sich noch verbessern kann. Sie sei ein „Wegweiser“.

„Der Schüssel sind die Adverbien“, sagt die 37-Jährige, die für die Online-Lernplattform Sofatutor arbeitet. Ein „stets“ oder „äußerst“ zeige zum Beispiel an, dass das Kind den jeweiligen Lernbereich, also etwa Lesen oder Schreiben, schon sehr gut beherrsche. Ein „in der Regel“, „zunehmend“ oder „fast sicher“ weist darauf hin, dass es noch nicht immer gut klappt, aber der Schüler auf einem guten Weg ist. Ein „eher weniger“ oder „sehr selten“ zeigt dringenden Verbesserungsbedarf an.

„Bislang fällt es ihr schwer“

Das gilt auch für das Sozialverhalten. Ein Satz wie „Bislang fällt es ihr schwer, sich an Regeln zu halten“ weist darauf hin, dass es hier noch hapert. „Das ,bislang‘ bedeutet aber, dass die Lehrkraft dem Kind zutraut, sich hier zu verbessern“, sagt die Schulexpertin. Ähnlich verhält es sich bei dem Satz: „Er versucht immer länger, sich zu konzentrieren.“

Die ehemalige Grundschullehrerin Constanze Trabant schätzt die schriftlichen Beurteilungen. Foto: Solatutor

Manche Formulierungen sind weniger eindeutig: Steht zum Beispiel in einem Dritte-Klasse-Zeugnis: Er oder sie „schreibt sicher in Druckschrift“ oder „rechnet sicher mit Hilfsmitteln“, muss man dazu wissen, dass Kinder in der dritten Klasse die Schreibschrift beherrschen und ohne Hilfsmittel rechnen sollten. Auch Worte wie „kontaktfreudig“, „kommunikativ“, „lebhaft“ haben zwei Seiten. Es ist eine gute Eigenschaft, wenn Kinder lebhaft sind, sie kann aber im Unterricht stören, wenn das Kind nicht zu bändigen ist.

Generell gilt: „Sind sich Eltern unsicher, wie sie das Zeugnis interpretieren können, sollten sie mit der Lehrkraft sprechen“, sagt Trabant. Im Normalfall suchten Lehrer aber bereits vor der Zeugnisausgabe Gespräche, wenn etwas nicht stimme.

Mit den Kindern das Zeugnis lesen

Sprechen sollten Eltern auch mit ihren Kindern über die Beurteilung. Constanze Trabant rät, das Zeugnis zusammen mit dem Nachwuchs zu lesen oder es ihm in Ruhe vorzulesen. Dann gilt es vor allem, auf die Erfolge einzugehen, zusammen glücklich zu sein, was das Kind schon alles kann und geschafft hat. Und das Positive nicht durch Misserfolge zu relativieren. „Das kannst du schon gut, aber hier musst du besser werden“, ist also keine gute Formulierung. Wo Verbesserungsbedarf angezeigt wird, sollten Eltern mit den Kindern überlegen, was es braucht, dass das Kind besser wird, und wie die Eltern dabei helfen können.